Am 28. Februar hat Jan G. (25) in Müllrose und Oegeln (Oder-Spree) seine Oma erstochen und auf der Flucht zwei Polizisten überfahren. Ab Dienstag steht er vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) – es gibt viel aufzuarbeiten:
Neuer Gutachter: Jan G. ist nicht schizophren
Der mutmaßliche Mörder leidet nach Einschätzung des im Verfahren eingesetzten medizinischen Gutachters Hans-Ludwig Körber nicht an Schizophrenie – davon waren Gutachter bislang aber ausgegangen. Vielmehr habe der 25-Jährige eine „gravierende Persönlichkeitsstörung“, die durch Drogenkonsum „krisenhaft verschärft“ worden sei. Das berichtet der „Spiegel“. Laut Körber käme deshalb – bei entsprechender Therapie-Begleitung – eine reguläre Strafhaft durchaus infrage. Das heißt: Jan G. könnte nach einer Verurteilung nicht, wie bisher von Beobachtern angenommen, in einer geschlossenen Psychiatrie unterkommen.
Anwalt von Jan G.’s Mutter erhebt schwere Vorwürfe
Mögliche Fehler von Behörden und Justiz im Umgang mit dem psychisch kranken Täter werden in dem Prozess eine Rolle spielen. So hat der Anwalt der Mutter von Jan G., Peter-Michael Diestel, angekündigt, er werde „ganz klare Ansprüche für meine Mandantin stellen“, wie er der Schweriner Volkszeitung sagte. „Alle staatlichen Mechanismen, die vorgesehen sind, um solche schrecklichen Dinge zu verhindern, haben versagt“, äußerte Diestel. Über Jahre hinweg habe die Mutter des Täters auf die Gefährlichkeit ihres Sohns hingewiesen und öffentliche Stellen um Hilfe gebeten, so Diestel. Der Anwalt sagte, er sei überzeugt, die Bluttat hätte verhindert werden können.
Gericht und Gutachter schätzten Gefährlichkeit falsch ein
Diestel verweist auf den Freispruch für Jan G. von November 2016 – die Richter hatten den wegen Körperverletzung Angeklagten für schuldunfähig erklärt, weil er schizophren sei. Jan G. hatte bei mehreren Gelegenheiten einen Zugschaffner, einen Straßenbahnpassagier, eine Frau in einem Supermarkt niedergeschlagen und schließlich einem Bekannten in Berlin ein Jagdmesser in den Hals gestochen – das Opfer überlebte dank einer Notoperation.
Große Anteilnahme in der Bevölkerung
Große Anteilnahme hat die Bluttat in der Bevölkerung hervorgerufen. Bei einer Spendenaktion zu Gunsten der Hinterbliebenen der getöteten Polizeibeamten Torsten K. (52) und Torsten P. (49) kamen 7730 Euro zusammen.
Kriminalkommissar Lutz Boltz versteigerte zu diesem Zweck Boxhandschuhe, die Weltmeister Max Schmeling signiert hat.
Im Polizeirevier in Fürstenwalde soll nach Auskunft der Direktion Ost eine Gedenktafel für die getöteten Kollegen angebracht werden. Einige der Polizisten, die mit den Getöteten Dienst taten, nehmen laut Direktion immer noch psychologische Hilfe in Anspruch.
Gleichwohl setzte das Gericht die Unterbringung Jan G.‘s in der Psychiatrie aus, denn ein Sachverständiger hatte eine „gute therapeutische Beeinflussbarkeit des Angeklagten“ bescheinigt. Die Gefahr für die Allgemeinheit könne bei konsequent kontrollierter Medikamentengabe „auf ein für die Allgemeinheit erträgliches Maß minimiert werden“. Dem schloss sich das Gericht an – mit fatalen Folgen. Am Suchtverhalten änderte sich kaum etwas. Laut „Spiegel“ hat Jan G. noch Ende 2016 einem Arzt gesagt, er nehme weiterhin täglich Amphetamine.
Jan G. bedrohte eigene Mutter mit dem Tod
Die Mutter des Täters ist selbst in der Vergangenheit mehrfach von ihrem Sohn mit dem Tod bedroht worden. 2007 sprach der junge Mann davon, das mütterliche Haus anzuzünden. Im Juli 2015 äußerte Jan G. gegenüber dem Lebensgefährten seiner Mutter – und mit gezogenem Messer –, er werde den beiden die Köpfe abschneiden. Der Lebensgefährte ist mittlerweile verstorben.
Psychische Erkrankung Jan G.‘s war seit Jahren bekannt
Seit seiner Jugend ist Jan G. immer wieder in psychiatrischer Behandlung gewesen, auch in geschlossenen Anstalten. Aus einem Kinderheim wurde er 2009 wegen „Unführbarkeit“ entlassen – in den Haushalt seiner Mutter. Eine fast anderthalb Jahre währende Haftstrafe musste Jan G. ab 2013 verbüßen. Dort zeigte er eine stärker werdende Psychose, man vermutete Schizophrenie. Als es Jan G. besser ging, wurde ihm die Reststrafe erlassen – er zog zu seiner Oma. Als er aufhörte, Medikamente zu nehmen und Arztbesuche schwänzte, wurde er im November 2015 wieder in einer Psychiatrie untergebracht. Schließlich entließ man ihn erneut zu seiner Großmutter. Am 28. Februar 2017 erstach Jan G. seine Oma an deren 79. Geburtstag. Elektriker, die am selben Tag im Haus gewesen waren, berichteten laut „Spiegel“, Jan G. habe einen starren Blick gehabt und stark geschwitzt.
Von Ulrich Wangemann