Mit einem Großaufgebot von Beamten hat die Polizei am Donnerstagmorgen in Berlin und Brandenburg Geschäftsräume und Wohnungen eines Pflegedienstleisters durchsucht. 130 Polizisten und Staatsanwälte waren ab 8 Uhr im Einsatz. Es geht um den Verdacht auf Abrechnungsbetrug in Höhe von rund einer Million Euro gegenüber Pflegeversicherung und Sozialämtern.
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Insgesamt fanden an 30 Standorten Durchsuchungen statt, wie Polizeisprecherin Patricia Brämer sagte. Hauptverdächtige ist die 41 Jahre alte Ekaterina S., die in Falkensee (Havelland) lebt. Ihre Wohnräume sowie der Geschäftssitz ihres ambulanten Pflegedienstes in der Seegefelder Straße in Berlin-Spandau wurden ebenso durchsucht wie die Wohnung einer ihrer Angestellten in Dallgow-Döberitz (Havelland). Die übrigen Durchsuchungen konzentrierten sich auf Berlin.
Betrugsmasche: Pflegedienst hat Leistung nur zum Teil abgerechnet
Die Inhaberin wurde festgenommen. Neben ihr stehen sieben ihrer Mitarbeiter und 31 Patienten unter Verdacht, an dem Betrug durch vorgetäuschte Leistungen mitgewirkt zu haben. Die Verdächtigen sind überwiegend russischstämmig oder haben ihre Wurzeln im Gebiet der früheren Sowjetunion.
Pflegebetrug führt zu Milliardenschäden
12 000 Pflegedienste rechnen pro Jahr in Deutschland rund zehn Milliarden Euro bei den Pflegekassen sowie eine ähnliche hohe Summe bei den Sozialämtern ab – es gibt viel zu verdienen.
2 Milliarden Euro Schaden pro Jahr soll in Deutschland durch betrügerische Abrechnungen im Pflegebereich entstehen, 50 Millionen davon sollen auf Berlin entfallen.
217 Anzeigen lagen Ende 2015 gegen 157 Berliner Pflegedienste vor. Daraus resultierten damals 101 Verfahren. Anzeige erstatteten Bezirksämter, Verwandte oder Krankenkassen.
7 -mal häufiger als der Durchschnitt werden Menschen russischer Herkunft in Berlin-Mitte zum Pflegefall. Bei türkischer Herkunft beträgt der Faktor vier.
„Der Pflegedienst hat einzelne Leistungen nur zum Teil oder gar nicht erbracht, aber den Pflegekassen oder Sozialämtern in Rechnung gestellt“, erklärt Brämer die mutmaßliche Betrugsmasche. Pflegedienst und Patienten sollen dabei regelrecht zusammengearbeitet haben. Das Unternehmen briefte die Patienten, wie sie sich zu verhalten haben, um keinen Verdacht zu schöpfen, wie Brämer weiter sagte.
Auch kooperierende Patienten bekamen Geld
Pro Monat und Patienten soll der Pflegedienst auf diese Weise bis zu 2000 Euro unrechtmäßig kassiert haben. Als Gegenleistungen hätten kooperierende Patienten Prämien von bis zu mehreren 100 Euro monatlich oder andere Vergünstigungen erhalten.
Die Ermittlungsgruppe Pflegedienste der Berliner Polizei sei seit etwa einem Jahr mit dem Fall befasst, hieß es. Von den Durchsuchungen erhoffen sich die Ermittler weitere Erkenntnisse über mögliche Betrugsfälle, die länger zurückreichen. Den Pflegedienst gibt es laut Polizei seit 2011.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte kürzlich von einer neuen Dringlichkeit gesprochen, gegen organisierte Betrügereien von Pflegediensten vorzugehen. Die „Welt am Sonntag“ und der Bayerische Rundfunk hatten berichtet, dass vor allem russischstämmige Banden billige Hilfskräfte statt qualifizierter Pfleger einsetzten.
Von Bastian Pauly (mit dpa)