Ein begnadeter Vorleser ist er nicht. Er verliert ab und an die Zeile und stolpert über ungewöhnliche Fremdwörter. Aus der k.u.k.-Monarchie macht er eine „kuck-Monarchie“ und muss selber über seinen Versprecher lachen. Und die 200 Besucher, die ihm am Sonntagnachmittag im Großen Saal von Schloss Plaue gespannt zuhören, lachen mit ihm. Mit seinem natürlichen Charme lässt der Schauspieler Ronald Zehrfeld die Lesung aus dem Buch „Ungeduld des Herzens“ von Stefan Zweig trotz alledem zu einem Erlebnis werden.
Er habe das Buch vorher nicht gekannt und sei sehr beeindruckt davon gewesen, erzählt Zehrfeld. Es geht darin um den jungen österreichischen Offizier Anton Hofmiller, der im Jahr 1914 kurz vor Ausbruch des Weltkriegs in einem langweiligen Garnisonsstädtchen Kontakt zur reichen und interessanten Familie Kekesfalva bekommt. Die Zuhörer werden Zeuge, wie der junge Mann, weil er freundlich und hilfsbereit ist, schuldlos in eine Mitleidsfalle gerät, aus der es kein Entrinnen für ihn gibt.
Schlechtes Missgeschick stellt Weichen
Durch ein schreckliches Missgeschick sind die Weichen für seine Beziehung zur Familie von Anfang an falsch gestellt. Bei seinem ersten Besuch im Haus der Familie hat Anton Hofmiller Edith, die Tochter des Hauses, nämlich zum Tanz aufgefordert – ohne zu wissen, dass dass ihre Beine gelähmt sind. Obwohl seine Entschuldigung freudig angenommen wurde, fühlt er sich von Anfang an der Familie verpflichtet, als sei er ihr etwas schuldig. Und so lässt er sich nach und nach in eine Rolle drängen, die er keineswegs gewollt hat.
Nach jahrelangen, schmerzhaften und ergebnislosen Therapien ist Edith nervös und überspannt. Nur schwer erträgt sie ihre Behinderung, da sie früher ein gesundes, wildes Kind war. Der Grund für ihre Lähmung konnte nicht festgestellt werden. Ebensowenig weiß man, ob es jemals Heilung geben wird. Während Hofmiller seine Besuche im Hause Kekesfalva genießt und für die Familie herzliche Symapathie empfindet, hat sich die verkrüppelte Edith in ihn verliebt. Mit Selbstmorddrohungen presst sie ihm eine Zuneigung ab, die er nicht empfindet, und schafft es sogar, dass er sich mit ihr verlobt.
Und dann der Riesenskandal
Diese Tatsache spricht sich in dem kleinen Garnisonsstädtchen herum wie ein Lauffeuer. Als seine Kameraden ihn darauf ansprechen, kann Hofmiller nicht dazu stehen, weil er Spott und Häme fürchtet. Er leugnet die Verlobung in aller Öffentlichkeit. Er weiß, dass Edith sich umbringen wird, wenn sie von seinem unehrenhaften Verhalten erfährt und will deshalb selbst aus dem Leben scheiden.
Diesen Selbstmord kann sein Oberst verhindern, dem sich der junge Mann in seiner Not anvertraut hat. Er zwingt ihn, die Garnison umgehend zu verlassen und will dafür sorgen, dass niemand etwas davon erfährt, dass er die Verlobung mit Edith geleugnet hat. Doch dieser Plan misslingt. Es gibt einen Riesenskandal und wie befürchtet bringt Edith sich um.
Von Ann Brünink