Sie bestreiten den Alltag, erledigen ihre Arbeit zuverlässig, oft fällt Familie, Kollegen und Freunden lange Zeit nicht auf, dass etwas nicht stimmt. Nicht flüssig lesen und schreiben zu können wird für viele erst zum Problem, wenn eine neue berufliche Herausforderung ansteht.
Unlösbare Aufgaben, zunehmende Probleme
So erging es auch Karsten Dötz (Name geändert). „Ich habe vieles vergessen und brauchte sehr lange für alles. Das machte die Arbeit am Computer unglaublich schwer und auch mit dem Ausfüllen von Anträgen bekam ich zunehmend Probleme“, so der 60-Jährige, der seine Schwäche erkannte und sich Hilfe holte.
Rund 14 000 Menschen im Havelland können nicht richtig lesen und schreiben. Vielen fällt es schwer, das Problem anzugehen, die Scham ist oft zu groß. Das Alfa-Mobil des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung klärt daher deutschlandweit über das verbreitete Problem auf. „Wir wollen die Menschen für das Thema sensibilisieren. Außerdem informieren wir über die Angebote vor Ort“, so Projektmitarbeiterin Nicole Pöppel.
Zwei Kurse in Falkensee und Rathenow
Ganz eng arbeitet der Verein dabei mit den Volkshochschulen (VHS) zusammen. „In Falkensee und Rathenow gibt es jeweils einen Kurs, der zwei Mal wöchentlich stattfindet. In kleinen Gruppen arbeiten die Dozenten individuell mit allen Teilnehmern“, so Ines Kias von der Volkshochschule Havelland. „Es ist sehr schwer, an die Leute heranzutreten, daher sind vor allem Kollegen und Angehörige mit viel Einfühlungsvermögen gefragt. Nicht lesen und schreiben zu können, betrifft schließlich das ganze Leben“, sagt Kias.
Lösungen parat haben, Ansprechpartner nennen
Bereits eine Lösung parat zu haben und den Betroffenen einen Ansprechpartner nennen zu können, sei dabei von großem Vorteil.
Teilnahme ist kostenlos
Die Teilnahme an dem Kurs wird vom Landkreis finanziert und ist damit für alle Teilnehmer kostenlos. Wenn sie erstmal dabei sind, sei die Motivation sehr hoch. „Den eigenen Kindern endlich Geschichten vorlesen zu können oder beruflich weiterzukommen, spornt die Leute an. Es ist alles eine Übungssache, denn nur in Ausnahmefällen hat jemand gar keine Vorkenntnisse“, so Nicole Pöppel.
Mehr Selbstbewusstsein für Aufklärungsarbeit
In einem Spandauer Lerncafé begann Karsten Dötz’ Weg zum flüssigen Lesen und Schreiben. „Anschließend habe ich einen Kurs an der Volkshochschule besucht. In der Gruppe lernt es sich eben leichter“, weiß der 60-Jährige, der dank seiner neu erworbenen Fähigkeiten viel Selbstbewusstsein gewonnen hat. „Heute bin ich selber unterwegs und kläre die Menschen auf. Wenn ich damit auch nur einen erreiche, bin ich zufrieden“, so Dötz.
Von Laura Sander