Als Alexej Buchhammer am Mittwochabend gegen 23 Uhr nach Hause kam, war in seiner Nachbarschaft die Hölle los. Die Polizei war gleich mit mehreren Streifenwagen zum Bahnhof Seegefeld ausgerückt, auch ein Krankenwagen war vor Ort, überall leuchtete Blaulicht. „Ich habe mich schon gewundert, weil hier sonst um die Uhrzeit nicht mehr viel passiert“, sagte er. „Angehalten habe ich aber nicht. Ich wollte nur noch nach Hause und schlafen.“ Bis spät in die Nacht dauerte der Einsatz. Auch als Michelle Behrend gegen halb vier mit dem Taxi aus Berlin zurückkehrte, waren immer noch Polizisten da, erinnerte sich die 18-Jährige. „Die haben da gerade Fotos vom Tatort gemacht.“
Was genau sich am Bahnhof zugetragen hatte, erfuhr sie erst am nächsten Morgen. Ein 26 Jahre alter Berliner wollte sich dort offenbar das Leben nehmen, zumindest teilte er das seiner Ex-Freundin mit, die daraufhin die Polizei verständigte. Als diese eintraf, war der Mann zunächst ruhig und kooperativ und folgte den Polizisten zum Streifenwagen für einen Alkoholtest. Er äußerte allerdings weiterhin Suizidgedanken.
Doch als ihm die Beamten mitteilten, dass sie einen Rettungswagen bestellen würden, damit er von einem Psychologen untersucht werden könnte, zog der Berliner plötzlich eine Schreckschusspistole, die er abwechselnd auf sich und die beiden Polizisten richtete. Nach mehrfacher Aufforderung die Pistole fallenzulassen, schoss ihm einer der Polizisten zweimal ins Bein. Erst dann warf er die Waffe weg. Der Mann wurde mit nicht lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht.
Erleichterung, „dass es kein Terrording war“
Am Tag danach war am Einsatzort nicht mehr viel zu sehen. Im Gebüsch lag noch ein Stück Absperrband der Polizei, ansonsten deutete nur noch ein halb abgerissenes Plakat eines Spandauer Supermarktes darauf hin, was für eine wilde Nacht es war.
Traute Apt war dennoch ein bisschen mulmig zumute, als sie zum Bahnhof ging. „Aber es wird ja hoffentlich nicht gleich wieder etwas passieren“, sagte sie. Im Radio hatte sie von den Vorfällen erfahren. „Einfach schrecklich. Ich habe das Gefühl, die Gewalt kommt immer näher.“ Auch Michelle Behrend fand es ziemlich „gruselig, dass so etwas nur zwei Minuten von mir zuhause passiert.“ Gleichzeitig war sie aber doch erleichtert, „dass es kein Terrording war.“
Haben die Beamten richtig gehandelt?
Nach Angaben der Polizei enthielt die Schreckpistole des Berliners auch Patronen und sah aus wie eine scharfe Schusswaffe. Inwieweit daraus ein Schuss hätte abgefeuert werden können, müssten nun weitere Untersuchungen zeigen. Der 26-jährige Polizist, der den Mann angeschossen hatte, konnte bislang aus gesundheitlichen Gründen noch nicht vernommen werden. Im Internet entspann sich eine Debatte, ob die Beamten richtig gehandelt haben. Die meisten waren der Meinung: Ja. „Wenn sich die Polizisten bedroht fühlen, müssen sie reagieren. Sie haben das Recht, den Täter zu stoppen, um sich und andere zu schützen“, sagte Andrej Buchhammer. Auch Falkensees Bürgermeister Heiko Müller (SPD) fand, „dass die Polizei diesen Konflikt sehr vernünftig gelöst hat.“ Polizeisprecher Heiko Schmidt sagte: „Ohne den noch anstehenden Ermittlungen vorgreifen zu können, lassen die derzeit bekannten Umstände die Annahme zu, dass die Schussabgabe des Polizisten rechtmäßig erfolgte.“
Schreckschusswaffen
Im Gegensatz zu echten Schusswaffen verschießen Schreckschusswaffen keine Projektile, sondern Reizgas- und Kartuschenmunition. Das Abfeuern aus nächster Nähe kann aber wegen der hohen Druckwirkung trotzdem tödliche Folgen haben.
Zum Führen von Schreckschusswaffen außerhalb des eigenen Grundstücks wird seit 2003 ein Kleiner Waffenschein benötigt. Der reine Besitz, Erwerb und Transport ist jedoch ab dem 18. Lebensjahr auch so gestattet.
Von Philip Häfner