Wäre das Land nicht eingesprungen, wäre es nichts mit der Jubiläumsfeier für die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft Rathenow am Mittwoch dieser Woche. Zwischen den Jahren 2000 und 2006 war das Unternehmen in die Schlagzeilen geraten, die KWR stand vor der Insolvenz. Zu hoch der Leerstand, zu hoch die Kosten, zu gering die Einnahmen. Es gab viele, die damals nicht mehr auf die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft gewettet hätten.
Seeger hatte noch Hoffnung
Rathenows Bürgermeister Ronald Seeger gehört zu denen, die damals noch Hoffnung für das Unternehmen hatten. Eine externe Beratergesellschaft wurde damit beauftragt, Vorschläge zur Sanierung der KWR zu machen. Am Ende musste das Land Brandenburg aushelfen – und um dieses Rettungsgeld für die KWR sollte es in der Stadtverordnetenversammlung später noch oft Streit geben.
Inzwischen hat die KWR ein anderes Gesicht
Inzwischen steht das Unternehmen insgesamt gut da. Und auch was den Leerstand und andere schwierige Wohnungsbauthemen betrifft, hat die KWR ein anderes Gesicht. Geschäftsführer Hartmut Fellenberg hat das Image des Abrissgeschäftsführers abgelegt, er baut wieder auf. Eines der gelungensten Beispiele für diesen Wiederaufbau befindet sich mitten im Rathenower Stadtzentrum, am Märkischen Platz. Die Eckhäuser Berliner Straße/Puschkinstraße und Berliner Straße/Ecke Goethestraße sehen schick und modern aus – und die Wohnungen können sich sehen lassen.
Am Mittwoch also darf Fellenberg bei einem kleinen Festakt im Kulturzentrum stolz über sein Unternehmen erzählen. „Mit rund 2600 bewirtschafteten Mieteinheiten ist die KWR Rathenow der größte Vermieter von Wohn- und Gewerberäumen der Stadt“, so Fellenberg. Vorrangige Aufgabe sei, „als städtisches Unternehmen die sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung sucherzustellen“. Stadtentwicklung bedeute in Rathenow nicht Wachstum sondern Revitalisierung.
Ein Streifzug durch die Jahrhunderte
Die Wohnungen und Gebäude bilden ein Jahrhundert Rathenower Baugeschichte ab. Von Altbauten in Gründerhausquartieren, 30er-Jahre-Häusern, Wohnhäusern im Bauhausstil bis hin zu Bauten der industriellen Fertigung gebe es Wohnungen für die unterschiedlichsten Lebensentwürfe.
Drei alte Häuser abgerissen – ein Skandal
Dieser Blick in die Baugeschichte erinnert allerdings auch an einen der Skandale, von denen hier die Rede sein muss. Drei KWR-Häuser aus der Gründerzeit waren schon zur Hälfte abgerissen, als im Rathaus die Alarmglocken schrillten. Das Rathenower Bauamt sprach von einer „städtebaulichen Katastrophe“. Wer wann etwas von dem Abbruch wusste, war später nicht mehr zu klären. Bürgermeister Ronald Seeger übernahm im Dezember 2006 „eine Teilschuld“, wie er freimütig einräumte. Zu retten waren die Gebäude nicht mehr. Da, wo sie einst standen, gibt ein Zaun den Blick auf das KWR-Werksgelände frei.
Nach Richter kam Vogeler, dann Fellenberg
Der erste Geschäftsführer war Hans-Joachim Richter. Er übernahm aus dem Bestand der Kommunalen Wohnungsverwaltung rund 100 Mitarbeiter. Heute sind es noch 14. Hans-Joachim Richter brachte die KWR langfristig kein Glück. Mit der Sanierung des Unternehmens nach den Finanzturbulenzen wurde er von Bürgermeister Ronald Seeger seines Amtes enthoben. Ihm folgte Jürgen Vogeler, der bereits Geschäftsführer der Rathenower Wärmeversorgung war. Vogeler galt als harter Sanierer. Später ging die Geschäftsleitung an Hartmut Fellenberg.
Sogar ein Bürgermeister stolperte
In die Zeit von Hans-Joachim Richter fällt der dritte Skandal, der hier neben Finanzskandal und Abriss-Skandal erwähnt werden soll.Eigentlich war dieses dritte Ereignis das erste und es fiel in die Zeit des Bürgermeisterwahlkampfes in Rathenow in den Jahren 2001/2002. Hans-Jürgen Lünser, damals Bürgermeister, kandidierte für die Wählergemeinschaft Pro Rathenow. Diese Wählergemeinschaft erhielt für den Bürgermeisterwahlkampf von Lünser eine Spende der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft – also jenes Unternehmens, das im Eigentum der Stadt war, der Lünser auch als Bürgermeister vorstand. Die Entrüstungswellen schlugen hoch. Ein „Geschmäckle“ war dabei. Hans-Jürgen Lünser wurde im März 2002 abgewählt, Sieger bei der Bürgermeisterwahl war sein Stellvertreter Ronald Seeger.
Lob und Preis für Zentrumsprojekte
Das mag dem einen oder anderen schon zu viel Erinnerung sein, an diesem Jubiläumstag. Darum noch ein paar erfreuliche Aspekte und von denen gibt es auch genügend: Das Projekt „Curlandgärten“ wurde vom Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in die Liste der positiven Beispiele für den Stadtumbau Ost aufgenommen und das Sanierungsprojekt am Märkischen Platz erhielt 2015 den Deutschen Bauherrenpreis des Bundes der Architekten. Im Jubiläumsjahr werden erstmals drei Auszubildende auf ihrem Weg zum Immobilienfachwirt begleitet.
Und jetzt wird gefeiert
Gefeiert wird nicht nur im Kulturzentrum sondern auch ab 14 Uhr mit einem Straßenfest vor dem Kundencenter. „Wir wollten bewusst unser Jubiläum mit den Mietern feiern“, sagt Hartmut Fellenberg. Neben dem Kundencenter der KWR beteiligen sich auch die Vereine und Unternehmen der Nachbarschaft am Fest. Mit dabei sind das Bündnis für Familie, die Galerie Karl Mertens Kunstverein, das Modelabel Sorgenkinder und das Gemeinschaftwerk Wohnen und Pflege.
Noch 3,8 Prozent Leerstand
Innerhalb der 25 Jahre ihres Bestehens reduzierte und sanierte die KWR ihren Wohnungsbestand. Von ehemals 5600 Wohnungen sind heute noch 2468 in ihrer Hand. Rund 1650 Wohnungen wurden im Stadtumbauprogramm rückgebaut, 42 Einzelhäuser mit Modernisierungsverpflichtung wurden an neue Besitzer verkauft.
Die KWR investierte allein von 2008 bis 2015 rund 33 Millionen Euro in die generationengerechte Sanierung ihrer Häuser und Anlagen
Der Leerstand auf 3,8 Prozent (95 Wohnungen), 83 Prozent des Wohnungsbestandes sind saniert.
Erstmals werden drei Auszubildende im Unternehmen auf ihrem Weg zu-m Immobilienfachwirt begleitet.
Das Jubiläum wird im Kulturzentrum offiziell gefeiert. Alle Mieter und Gäste sind darüberhinaus am Kundencenter willkommen. Hier gibt es Kurzweiliges mit Clownerie, Musik und Hopseburg. Daneben werden die neuen Zukunftsprojekte der KWR vorgestellt.
Daneben beteiligen sich Vereine und Unternehmen aus der Nachbarschaft. Mit dabei sind das Bündnis für Familie, die Galerie Karl Mertens Kunstverein und das Modelabel Sorgenkinder sowie das Gemeinschaftwerk Wohnen und Pflege.
Von Joachim Wilisch