Der Zeitplan ist straff. „Vier Stunden haben wir eingeplant“, so Regisseur Michael Dörfler, „für am Ende vier bis fünf Minuten Sendezeit.“ Mit Kameramann und Tonassistent dreht er am Dienstag einen Beitrag für den TV-Sender Arte in der Fachhochschule der Polizei (FHPol) in Oranienburg. Einen „Piloten“, die Einführung einer Fernsehreihe.
Skurriles Thema: Schuhe. Entstehungsgeschichte, kulturelle Bedeutung, Status als Mode-Accessoire. Selbst die Beschuhung der Gletscherleiche Ötzi wird thematisiert (er hatte Schuhgröße 38).
Kriminalhauptkommissar Jan Grübler weiß: „Der Schuheindruck verrät uns einiges über den Träger.“ Regisseur Dörfler stellt Fragen, Grübler antwortet – nie direkt in die Kamera. Das sieht im Fernsehen nicht gut, nicht seriös aus.
Wenn Grübler Schuheindrücke (Schuhabdruck sei ein nicht korrekter Begriff) misst, macht er das nach einer Tat. „Es gibt eine natürliche Beziehung zwischen der Länge des Schuhs und der Körpergröße des Trägers“, sagt er. Hauptmerkmal ist das Sohlenprofil. Wie ist es strukturiert, welche Muster sind zu sehen? Weist es kleine Verformungen durch Hitze auf, könnte dies vom Austreten einer Zigarette sein. Folgerung: Der Täter könnte Raucher sein.
Es sind Indizien, die gesammelt werden. „Gibt es einen Erdauswurf nach hinten, könnte der Täter schnell weggerannt sein“, so Grübler. „Moment“, schiebt Regisseur Dörfler ein, „verstehen das die Leute überhaupt?“ Gemeint sind die Zuschauer. Die seien zwar nicht dumm, aber man müsse vieles bildlich erklären. Also: Grübler tupft sich noch einmal den Schweiß von Stirn und Kinn (keiner soll im Fernsehen glänzen) und wiederholt den Satz, etwas einfacher formuliert.
Die Sicherung von Schuhspuren folgt einem Schema: Erst werden Fotografien gemacht, dann ein Abdruck genommen. Auf glatter Oberfläche mit Gelatine-Folie, auf weichem Grund mit Gips. Ein Negativ-Modell entsteht. Die meisten Täter, vorwiegend jung und männlich, würden handelsübliche Schuhe tragen, „wie du und ich“, so Grübler – bequemes Schuhwerk.
Dann spricht er über eine Datenbank. Jetzt wird es für den Regisseur interessant, er will mehr wissen. Details. Grübler erklärt: Das Landeskriminalamt (LKA) speichert in einer Datenbank sämtliche Sohlenabdrücke, kategorisiert und vergleicht sie. Da es mittlerweile eine Vielzahl von Sohlenarten gibt, sammeln die LKA-Sachverständigen Muster. „Teils fotografieren sie selbst in Schuhläden, um neue Modelle in ihrer Datenbank erfassen zu können.“ Jede Sohle wird dann „verformelt“, heißt: mathematisch verschlagwortet. Alle alle spezifischen Merkmale werden berücksichtigt. So können die Daten einfacher verglichen werden.
Grübler räumt vor der Kamera mit einem Irrtum auf. Die Tiefe des Abdrucks verrate nichts über die Körperfülle des Täters. „Der Boden kann nur so weit nachgeben und komprimieren, wie es eben geht.“
Nach dem Interview geht es zum Außendreh mit Polizeischülern aus dem drittem Semester. Ihnen erklärt er vor laufender Kamera das Ausgießen eines Schuheindrucks. Aus drei, vier Perspektiven; er muss sich mehrfach wiederholen.
Für Marion Ratzsch, Pressesprecherin der Fachhochschule, ist so ein Dreh immer wieder aufregend. Kaum sind die Arte-Filmer weg, könnte bald ein weiteres TV-Team kommen. „Es gibt momentan eine Drehanfrage vom ZDF“, sagt sie.
Ausstrahlung ungewiss
Der Beitrag für eine neue dokumentarische Reihe, der in Oranienburg gefilmt wurde, wird von Arte gemeinsam mit der Berliner Produktionsgesellschaft „zero one film“ produziert.
Einen Ausstrahlungstermin gibt es noch nicht. Die fertige 45-minütige Sendung wird erst von der Arte-Chefredaktion begutachtet. Dort wird entschieden, ob das Format in Serie geht.
Bildungsformat für Erwachsene: So beschreibt Regisseur Michael Dörfler die Intention der Sendung.
Von Marco Winkler