Die Ausweisung weiterer Eignungsgebiete für Windparks stößt vielen Anwohnern der Hohen Heide sauer auf. Dass sich in der Prignitz bereits genügend Windräder drehen, fanden viele der rund 100 Besucher der Podiumsdiskussion im Heiligengraber Krug am Mittwochabend. Sie waren auf Einladung der Veranstalter – Verein Pro Krug Heiligengrabe und der Interessengemeinschaft Hohe Heide – in die ehemalige Gaststätte gekommen, um die Debatte für und wider den Bau von Windkraftanlagen zu verfolgen und eigene Statements abzugeben beziehungsweise Fragen zu stellen.
MAZ-Chefreporter Bernd Atzenroth, der die Veranstaltung moderierte, hakte mit Fragen gezielt nach, vor welche Herausforderungen die Region mit weiteren Windkraftanlagen gestellt würde. So sprach er das Problem der Stromüberproduktion sowie des ungenügend ausgebauten Leitungssystems an. Atzenroths erste Frage ins Publikum, wer denn gegen die Errichtung weiterer Windparks sei, zeigte eine überwältigende Mehrheit der Windkraftgegner – fast ein Abbild der Podiumsteilnehmer. Denn bis auf Windparkbauer und Mitglied des Bundesverbands Windenergie, Christian Wenger-Rosenau, sprach sich keiner der Redner entschieden für den Ausbau von Windparks aus.
Mindestabstände waren Streitpunkt
Doch auch Wenger-Rosenau gab zu, dass über die Gefährdung der Bevölkerung durch den von Rotorblättern der Windräder verursachten Infraschall bislang zu wenig bekannt sei. Er beruhigte aber, dass durch bisherige Abstände von 1000 Metern zu Siedlungen kaum Gefahren für Bürger bestünden.
Das sah das Publikum anders. So schilderte Anita Sleinitz aus Wildberg ihre gesundheitlichen Probleme, deren Ursache die störenden Geräuschen einer knapp 1200 Meter von ihrem Grundstück entfernten Windkraftanlage seien. „Selbst, wenn dadurch mal der Strom für uns günstiger werden sollte, meine Gesundheit kann ich mir davon nicht zurückkaufen“, monierte die Windkraftgegnerin.
Dass der Strompreis aber derzeit in den Windparkregionen oft bedeutend höher liegt, als zum Beispiel in dicht besiedelten Metropolen, wurde mehrmals angesprochen. „Das liegt an den Entschädigungen für die Parkbetreiber bei Windflaute“, erklärte Fariba Nilchian, Sprecherin der Bölzker Windkraftgegner, die mit zu den Organisatoren der Podiumsdiskussion gehörte. Die Entschädigungssummen würden nämlich auf die regionalen Netzentgelte umgelegt. Zudem gewährte sie dem Publikum einen Blick in ihre Stromrechnung. Allein 146 von 600 Euro zahle sie für die EEG-Umlage, der eigentliche Strom koste lediglich 20 Prozent der Gesamtrechnung.
„Die Bürger müssen finanziell besser von den Stromparks profitieren“, gestand auch Wenger-Rosenau ein und verwies darauf, das der Preis für Windstrom bald sinken werde. Grund dafür sei ein geplantes Ausschreibungsverfahren für Strom aus regenerativen Quellen, was den Wettbewerb am Markt deutlich verschärfen werde.
Moratorium gefordert
Kritik an der Stromüberproduktion in der Prignitz und Abnahmeschwierigkeiten im Ausland äußerte der CDU-Landtagsabgeordnete Jan Redmann. Auch die von der derzeit laufenden Volksinitiative geforderten Mindestabstände von dem Zehnfachen der immer größer werdenden Höhe der Windräder hätten noch vor Kurzem in die Windparkpläne der Landesregierung mit aufgenommen werden können. Stattdessen müsse nun der Druck aus der Bevölkerung etwas bewegen.
Zudem stimmte Redmann der Forderung des Temnitzqueller Bürgermeisters Johannes Oblaski (SPD) zu. „Bis alle Fakten vorliegen, brauchen wir ein Moratorium“, sagte dieser und warb für den Bauaufschub von Windparks bis alle Probleme gelöst seien.
Auf die beschränkten Möglichkeiten der Lokalpolitik, Windparks zu verhindern, verwies Heiligengrabes Bürgermeister und Podiumsteilnehmer Holger Kippenhahn (Die Linke). „Uns steht der Regionalplan als probates Mittel zur Verfügung“, erklärte er. An dessen Entstehen könne jeder interessierte Bürger mitwirken, indem er Einwände oder Verbesserungsvorschläge mit einfließen lasse. Allerdings sei ein solcher Plan zwar sinnvoll, sein Zustandekommen jedoch optimierbar. In diesem Zusammenhang betonte Kippenhahn, dass für solche Pläne zu erstellende Gutachten von der Gemeinde finanziert worden wären. Würde es solche Gutachten nicht geben, könnten Windparks ohne besondere Einschränkungen auf dafür ausgewiesenen Flächen der regionalen Planungsgemeinschaft gebaut werden.
Im Übrigen werde es bald einen neuen Entwurf zum Regionalplan für die Hohe Heide geben, wie Kippenhahn in Aussicht stellte. Der Plan als Ganzes liege dann wahrscheinlich erst in zwei Jahren vor. Bis dahin werde sich auf dem Gebiet bautechnisch wenig tun, so die Voraussicht des Bürgermeisters.
Von Christian Bark