Wenigstens 2500 Demonstranten aus ganz Deutschland erwartet die Polizei am nächsten Sonnabend in Neuruppin. Die meisten, um gegen den Aufzug von Neonazis zu protestieren, die für den 6. Juni zum „Tag der Deutschen Zukunft“ aufgerufen haben. Bis Freitag waren für diesen Tag neun Versammlungen in Neuruppin angemeldet. Die Polizei geht aber davon aus, dass weitere hinzukommen könnten. Das sagte Bernd Halle, der Leiter der Polizeidirektion Neuruppin, am Freitag.
Halle soll am Sonnabend dafür sorgen, dass in Neuruppin alles friedlich abläuft. Eine Herausforderung, wie er am Freitag bei einer Pressekonferenz zugeben musste.
Polizei rechnet mit mindestens 500 Neonazis
Schon Ende März 2014 hatten Neonazis aus Neuruppin einen Aufzug für den 6. Juni angemeldet und werben seitdem in ganz Deutschland für den Aufmarsch. Wie viele Rechtsextreme nach Neuruppin kommen wollen, kann die Polizei nur grob schätzen. „Mindestens 500“, sagt Halle.
Genauso unklar ist, wie viele Demonstranten zu den acht bisher bekannten Gegendemonstrationen kommen. Die Polizei rechnet mit 2000. Es könnten aber auch doppelt so viele sein.
Die Polizei ist fest entschlossen, das Recht auf Versammlungsfreiheit durchzusetzen – für alle beteiligten Gruppen, für die Rechtsextremen genauso wie für die Gegendemonstranten.
Protest in Berlin
Linke Demonstranten haben vor der NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick gegen das geplante Neonazi-Treffen in Neuruppin protestiert. Laut Polizei versammelten sich am Freitagabend rund 50 Menschen zu dem Protest. Es habe keine Zwischenfälle gegeben, sagte ein Polizeisprecher.
Auf die Polizei warten am 6. Juni mehrere Großeinsätze - in Neuruppin und anderswo
Wenigstens 1000 Beamte der Polizeidirektion und mehrere Hundertschaften Bereitschaftspolizei werde in Neuruppin zusammengezogen. Außerdem hofft die Neuruppiner Polizei auf Hilfe aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei. Doch die haben am 6. Juni viele große Einsätze: Polizisten aus ganz Deutschland müssen den G-7-Gipfel in Bayern sichern, in Leipzig treffen sich die Finanzminister der Länder, in Stuttgart ist Kirchentag, in Berlin das Champions-Leage-Finale. Und auch in der Region hat die Polizei noch mehr zu tun: Im Volksparkstadion spielen die Fußballer des MSV gegen TuS Sachsenhausen, und bei der Tour de Prignitzwerden Beamte gebraucht zur Absicherung. „Wir sind so aufgestellt, dass wir die Lage bewältigen können“, versichert Halle, räumt aber ein: „Es ist hart an der Kante, in jedem Fall.“
Gerichtsurteil könnte Polizei vor Probleme stellen
„Wir gehen davon aus, dass alles friedlich bleibt“, sagt Halle. Trotzdem bereitet sich die Polizeiführung darauf vor, einzugreifen, wenn das nötig wird. Zusätzlichen Druck bekommt sie durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Potsdam zu einer Sitzblockade bei einem Neonazi-Aufzug 2012 in Potsdam. Damals hatte die Polizei entschieden, die Blockade mit mehreren hundert Teilnehmern nicht zu räumen. Die NPD musste ihren Aufzug abbrechen, hat dagegen geklagt und vor dem Verwaltungsgericht Recht bekommen. Die Polizei hätte in jedem Fall sicherstellen müssen, dass der angemeldete Aufzug der Neonazis stattfinden kann, so die Richter.
Ob die Polizei gegen eventuelle Sitzblockaden in Neuruppin energischer vorgehen wird, blieb am Freitag offen. Eine Anweisung des Innenministeriums für ein härteres Vorgehen gebe es nicht, versicherte Anja Götze von der Versammlungsbehörde: „So eine Anweisung kann es gar nicht geben.“ Ob eine Sitzblockade geräumt wird oder nicht, müsse von Fall zu Fall entschieden werden. Ohnehin ist das Urteil des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig. Das Polizeipräsidium hat Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt, sagt Präsidiumssprecher Rudi Sonntag.
Innenstadt für Autos gesperrt
Welche Strecke die Rechtsextremen mit ihrem Umzug am Sonnabend in Neuruppin nehmen werden oder wann er beginnt, sagte die Polizei auch am Freitag nicht. Im Internet nennen die Organisatoren 12Uhr als mögliche Startzeit.
Angemeldet sind Demonstrationen zwischen 10 und 20 Uhr an diversen Orten. Die gesamte Innenstadt dürfte zumindest für Autos gesperrt sein, ebenso die B 167 und weitere Straßen in Richtung Neubaugebiet. Das Ruppiner Einkaufszentrum hat sein geplantes Piratenfest abgesagt und um eine Woche verschoben. Wer nicht zu den Demonstrationen will, sollte Neuruppin weiträumig umfahren, rät Polizeisprecher Sonntag.
Von Reyk Grunow