Der Damm von Norddeutschlands größter Talsperre, des Dossespeichers Kyritz, ächzt mehr denn je unter den Wassermassen. Grund ist der Dauerregen, der in diesem Jahr so hartnäckig war wie selten zuvor und der auch in diesen Dezembertagen anhält. „So etwas habe ich in meiner ganzen Zeit hier noch nicht erlebt“, sagt Talsperrenmeister Heiko Gerloff. Seit 2010 ist er für das Bauwerk, das 1979 in Betrieb ging, zuständig.
Der Mann vom Wasser- und Bodenverband Dosse-Jäglitz, der den Flachlandspeicher im Auftrag des Brandenburger Landesumweltamtes bedient, erfasst regelmäßig nicht nur den Wasserstand am Damm, sondern jeweils auch den aller umliegenden, vor allem flussabwärts der Dosse befindlichen Wehre. Was dort überall an Wasser ankommen soll, kann Gerloff über die Schieber am Durchfluss in der Dammmitte regulieren, derart vernetzt ist das System.
Landwirtschaftsflächen bis zur Havel vor noch mehr Wasser bewahrt
Am Beckenpegel in Stolpe gilt ein Stand von 4,50 Metern als Maximum. Ist es nach dem Frühjahr und Sommer leer, weil es wenig regnete und viel Wasser für die landwirtschaftlichen Gebiete bis hin zur Havelmündung abgegeben werden musste, liegt die Untergrenze bei 2,50 Metern. Als Puffer gelten nach oben und unten 50 Zentimeter. So weit ist es seitens des Landesumweltamtes als Träger dieser Anlage genehmigt. Dem absoluten, obersten Limit von also fünf Metern wurde sich jetzt genähert. „Das gab es so noch nicht“, sagt Talsperrenmeister Gerloff. In seinem Pegelbuch vermerkte er 4,86 Meter. Das ganze Wasser einfach durchzulassen statt aufzufangen hätte andererseits bedeutet, dass die Landwirtschaft südwärts noch mehr als ohnehin schon abgesoffen wäre.
Aus dem Dossespeicher können im Jahr 6,5 Millionen Kubikmeter Wasser abgegeben werden, wovon 1,2 Millionen allein zur Kyritzer Stärkefabrik für die Kartoffelwäsche fließen. Aktuell sind die Schieber in der Dammmitte zu 25 Prozent geöffnet, was einen Durchfluss von 0,72 Kubikmeter Wasser pro Sekunde bedeutet. „Wir lassen noch etwas ab, damit über die Feiertage bis Neujahr Platz ist“, erklärt Gerloff mit Blick auf diese ebenso verregneten letzten Dezembertage. Noch vor Weihnachten wird der Durchfluss wieder geschlossen.
Mit „Wir“ meint Gerloff ein kleines Team, das viel mehr Aufgaben zu bewältigen hat, als der Laie auf den ersten Blick sieht. Gemeint ist nicht die Sturmschädenbeseitigung, für die der Wasser- und Bodenverband laut Gerloff „mit drei Brigaden und angemieteter Technik im Dauereinsatz“ entlang der Dosse unterwegs war: Der 1,5 Kilometer lange Damm muss viermal im Jahr gemäht werden und der fünf Kilometer lange Zuleiter für das Wasser aus der Dosse darf nicht zuwuchern. Denn das Wasser im Stausee stammt nicht allein vom Niederschlag vor Ort, sondern vor allem aus dem gesamten Gebiet rechts und links der Dosse bis hin zu ihrer Quelle weit im Nordwesten von Wittstock. Dieses Flusswasser wird schließlich bei Wulkow mittels des künstlich angelegten Kanals westwärts abgezweigt und führt eben bis in den Obersee. Dieser, der Salzsee und der Borker See bilden seit dem Dammbau, der dieses ankommende Wasser aufstaut, heute eine zusammenhängende Wasserfläche.
Bemerkenswert: In den vergleichsweise zu trockenen Jahren 2013 und 2015 war der Wasserstand dort derart niedrig, dass sich rundherum ein breiter Strand zeigte. Auch eine uralte Straße bei Bork kam wieder zum Vorschein.
Dazwischen, 2014, wurde ein Teil der Drainage des Dammes erneuert. Sie entwässert ihn und verhindert sein Aufweichen. Doch nur im westlichen Abschnitt wurde gearbeitet. Der zweite, größere Teil lässt bis heute auf sich warten. Und auch diese Drainage verfügt über etliche Messstellen, die der Talsperrenmeister und seine Leute im Auge behalten müssen. Hinzu kommen im Wald drumherum diverse Grundwassermessstellen.
Ist die Drainage irgendwann komplett erneuert, könnte bald die nächste Baustelle folgen, wie Gerloff mit sorgenvollem Blick auf den Damm verrät: Seeseitig müsse mal etwas an den Betonplatten dieser in die Jahre gekommenen Anlage gemacht werden.
Ausgeklügeltes System
Die Talsperre, die als Norddeutschlands größte gilt, ist seit 1979 in Betrieb. Ihr Wasser stammt nicht nur vom Niederschlag, sondern wird bei Wulkow über einen etwa fünf Kilometer langen künstlichen Zuleiter aus dem Fluss Dosse zugeführt.
Der Damm im Kyritzer Dorf Stolpe ist 1,5 Kilometer lang. Bei einem Höchststau, wie er dieses Jahr erreicht wurde, liegen vor ihm über 18 Millionen Kubikmeter Wasser. Die Oberfläche misst dabei rund 370 Hektar.
Mit Hilfe des aus der Talsperre ableitbaren Wassers, das über den Waldkanal, den Untersee und den Klempowsee und der recht kurzen Klempnitz in Wusterhausen zurück in die Dosse fließt, lässt sich südwestwärts bis zur Mündung in die Havel bei Bedarf ein etwa 12 500 Hektar großes landwirtschaftliches Gebiet bewässern.
Von Matthias Anke