Rund um die Wünsdorfer Erstaufnahmeeinrichtung ist derzeit nur eines verlässlich: Es wird gebaut. 995 Plätze hat die Unterkunft in Waldstadt derzeit, 340 davon waren Stand gestern belegt. In den bisher noch ungenutzten Gebäuden des ehemaligen Verwaltungskomplexes sind trotzdem weiter Handwerker zugange, die neue Böden verlegen, Leichtbauwände setzen, die Elektrik neu verkabeln und Sanitäreinrichtungen einbauen.
Bis Mitte nächsten Jahres soll Wünsdorf 1600 Plätze haben. So war die Planung, und davon wird nicht abgerückt. Die Verträge mit den Handwerksfirmen seien verbindlich, heißt es. Der Platz werde auch gebraucht, weil Provisorien in Potsdam und Eisenhüttenstadt bald geschlossen werden sollen. Und: die politische Weltlage sei derzeit unübersehbar. „Niemand kann einschätzen, was in der Türkei und in Nordafrika in den nächsten Monaten passiert“, so Wolfgang Brandt, Sprecher des Innenministeriums. Das heißt aber auch: Aktuell ist Wünsdorf vor allem Vorhaltekapazität für schlechtere Zeiten.
Verhandlungen mit Berlin
Nicht zuletzt deshalb hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke seinem Berliner Amtskollegen Michael Müller (beide SPD) angeboten, in Wünsdorf 1000 Flüchtlinge unterzubringen, die derzeit noch in Berliner Turnhallen wohnen. Aber ob dieser Plan B funktioniert, ist ebenfalls unklar. Die Verhandlungen drohten zuletzt zu kippen.
Zum einen scheint man sich über das Geld nicht einig zu werden, zum anderen gibt es Differenzen über die Personengruppen, die nach Wünsdorf kommen sollen. Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) würde am liebsten alleinstehende Männer schicken, offiziell weil bei denen das Problem einer schulischen Betreuung der Kinder nicht besteht. Das kommt aber für Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) nicht infrage. Das Angebot sei nicht gemacht worden, um dem Berliner Senat aus der Patsche zu helfen, stellte Schröter klar. „Vielmehr wollen wir Menschen unterstützen, die von den schwierigen Bedingungen in Berliner Unterkünften besonders betroffen sind. Und das sind in erster Linie Kinder.“ Es könne nicht sein, dass Familien mit Kindern in Berliner Turnhallen leben müssen, während allein reisende Männer „in unserer neu eingerichteten, kinderfreundlichen Erstaufnahme-Außenstelle untergebracht werden“. Diese Äußerung ist zwei Wochen her, seither ruhen die Gespräche, und in Potsdam munkelt man bereits, dass der Druck in Berlin wohl doch nicht mehr so groß ist.
Hintergrund
Anders als die Flüchtlingsunterkünfte in den Landkreisen werden die Erstaufnahmeeinrichtungen vom Land betrieben. Dort kommen die Flüchtlinge an, sie werden registriert und untersucht. Früher wurden sie in der Regel schon nach wenigen Tagen auf die Landkreise verteilt. Heute bleiben sie bis zu sechs Monate.
Ursprünglich gab es in Brandenburg nur eine Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt. Aufgrund des großen Flüchtlingsansturms im vorigen Jahr entschied man, die Kapazitäten deutlich zu erweitern. Es wurden mehrere Außenstellen geplant und eröffnet, unter anderem in Potsdam, in Doberlug-Kirchhain und in Wünsdorf.
Auf die sinkenden Flüchtlingszahlen hat das Land bereits reagiert. Planungen für eine weitere Außenstelle in Straußberg wurden auf Eis gelegt. Die Außenstelle in Potsdam soll geschlossen werden.
Einigung noch nicht in Sicht
Diesen Eindruck mag man bei der Berliner Senatsverwaltung für Soziales aber auf keinen Fall erwecken. Auch wenn am Montag das erste von 30 geplanten Containerdörfern in Betrieb genommen wurde, seien in der Hauptstadt immer noch knapp 6000 Flüchtlinge in 51 Turnhallen untergebracht. Diese Menschen gelte es so schnell wie möglich in vernünftige Unterkünfte zu bringen, sagt Sprecherin Regina Kneiding. „Deshalb halten wir an der Option Wünsdorf fest und wollen sie unbedingt nutzen.“
Bis es zu einer Einigung kommt, werden in Wünsdorf aber weiter nur solche Flüchtlinge erstversorgt, die das Bundesamt für Flüchlinge und Migration auf Brandenburg zugeteilt hat. Das sind bei weitem nicht mehr so viele, wie noch zu Jahresbeginn. Im Gegensatz zu damals bleiben diese Menschen jetzt aber so lange in der Erstaufnahme, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist – also bis zu sechs Monate. Das entlaste die Landkreise. Und Wünsdorf werde dadurch langsam voller, so Ministeriumssprecher Brandt. Der Platz ist ja da.
Von Oliver Fischer