Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Auch darüber, ob ein mit Blut gefärbter, aufgedunsener Tampon ästhetisch ist oder nicht, kann man diskutieren. Ein Hingucker ist das Werk mit dem Titel „Kalis Schrein“ von Bildhauer Sam C. Ahrens auf jeden Fall. Der Materialmix ist eines von 26 Bildern und neun Plastiken, die im Rahmen der diesjährigen Themenausstellung „Unterwelten und Verborgenes“ des Kunstvereins Ludwigsfelde aktuell im Foyer des Rathauses gezeigt werden.
Motto „Alter und Vollendung“
Bisher hatte Ahrens, der zugleich Vorsitzender des Kunstvereins ist, stets versucht, die Jahresarbeit für möglichst viele Themen zu öffnen. 2015 stellten die Kunstschaffenden ihre Werke erstmals unter ein Gesamtmotto: „Alter und Vollendung“. In diesem Jahr widmen sich die Vereinmitglieder nun also der Welt, die nach dem Sein kommt, der Unterwelt.
Für die richtige Stimmung zur Vernissage am Dienstagabend sorgten Michelle Ahlers (Gesang) und Adrian Geldner (Klavier) von der Musik- und Kunstschule Ludwigsfelde. Sie eröffneten die teils düstere Schau mit der von Beethoven – passenderweise in Moll – komponierten „Marmotte“, einem Volkslied aus dem 18. Jahrhundert.
Verborgene Sphären und Unterwelten
Den Anstoß dafür, sich in diesem Jahr mit verborgenen Sphären und Unterwelten zu beschäftigen, habe der österreichische Dokumentalfilm „Im Keller“ von Ulrich Seidl gegeben, erläuterte Ahrens zur Eröffnung. Der Film zeigt in loser Aneinanderreihung Personen, die in Kellerräumen ihren Obsessionen nachgehen. Ein Keller sei gewissermaßen „ein Grab der Gegenstände“, so Ahrens. Was aber dort genau passiert, bleibt im Verborgenen.
Monatelang haben sich die Mitglieder des Kunstvereins mit der Bedeutung des Themas in Mythologie und Religion auseinandergesetzt, um die Rituale des Versteckens aufzudecken, den Untergrund und sein dunkles Wesen zu ergründen. Herausgekommen sind „Sachen, die schockieren“, warnt der Vorsitzende schon einmal prophylaktisch.
Blutgetränkter Tampon
Ein Glück, dass die meisten der ausstellenden Künstler zur Vernissage gekommen sind, so hatte der Betrachter die Gelegenheit, nachzuhaken – etwa was es mit dem blutroten Tampon in „Kalis Schrein“ auf sich hat. „Keine Sorge, das ist mein Blut“, besänftigt Ahrens. Kali ist Sanskrit und bedeutet „die Schwarze“. Gemeint ist damit die indische Todesgöttin. Ihr wollte der Mellenseer Künstler, der sich selbst als surreal-barocker Bildhauer versteht, seine Ehrerbietung erweisen. Mit seinem Werk wolle er auf die in vielen Kulturkreisen fortbestehende „Verteufelung der Frau“ aufmerksam machen, so Ahrens.
Für Entsetzen sorgt auch Jürg Meyerholz’ „Dämonenfeuer“: Es zeigt einen Totenschädel vor lodernder Wand. Fast meint der Betrachter, die Angstschreie der darauf abgebildeten Personen im Foyer hören zu können. „Das ist nicht unbedingt ein Werk, das man sich in Wohnzimmer hängt“, gibt Meyerholz schmunzelnd zu.
Von Josefine Sack