Blindes Marktvertrauen wird steigende Mieten nicht aufhalten

Gegen steigende Mieten und Verdrängung – unter diesem Motto wollen am 27. März auch in Brandenburg wieder Menschen auf die Straße gehen. Zum europaweit ausgerufenen „Housing Action Day“ plant etwa die Initiative „Mietenstopp Potsdam“ am Samstagnachmittag eine Demonstration im Zentrum der Landeshauptstadt. Dann soll es heißen: „Potsdam für Menschen statt für Profite.“ Der Brandenburger Mieterbund, der 23 Mietervereine und die Interessen von 27.000 Mitgliedshaushalten vertritt, sympathisiert mit der geplanten Demonstration. „Wir werden unsere Mitglieder über die Aktion informieren“, sagt Mieterbund-Geschäftsführer Rainer Radloff. Dezidiert zur Demo aufrufen werde man aber nicht. „Als Mieterbund teilen wir das Grundanliegen der Initiative, wenn wir auch nicht mit allen Forderungen übereinstimmen“, so Radloff. Keine Hoffnung mehr in den Markt: Dazu zählten etwa radikale Positionen wie der Ruf nach Enteignung großer Wohnungsunternehmen oder die Einführung eines Mietendeckels wie in Berlin. Auch wenn man diese Forderungen angesichts der insbesondere in Potsdam und im Berliner Speckgürtel stark steigenden Mieten verstehen könne – „als Mieterbund geht es uns nicht um Revoluzzertum, sondern um eine schnelle Verbesserung der Lage für die Mieterinnen und Mieter in Brandenburg.“ Und die sei aktuell alles andere als rosig, sagt Radloff. Das Hauptproblem aus seiner Sicht: „Das CDU-geführte Infrastrukturministerium und die im brandenburgischen Bündnis Wohnen Ton angebenden Wohnungsbauunternehmen sind der Ansicht, dass der Markt durch Neubau für bezahlbare Mieten sorge“, sagt der Mieterbund-Geschäftsführer. „Das ist ein gefährlicher Irrglaube.“ Wirksame Gegenstrategien werden nicht angewendet: Die Lage der Mieter habe sich in den berlinnahen Regionen in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. „Dennoch werden wirksame Gegenstrategien wie die Mietpreisbremse nicht konsequent angewendet“, kritisiert Radloff. Für großen Ärger beim Brandenburger Mieterbund hatte die Kabinettsentscheidung gesorgt, die Kappungsgrenzen bei Mieten in nur 19 statt wie den davor angekündigten 31 Gemeinden im Land anzuwenden. Die Entscheidung hatte Ende Februar zum Austritt des Mieterbundes aus dem Bündnis Wohnen geführt. Das Bündnis war 2017 ins Leben gerufen worden mit der Aufgabe, den sozialen Wohnungsbau voranzubringen. „Das Bündnis Wohnen hat sich einseitig dem blinden Glauben an die Selbstregulierung des Marktes verschrieben – das können wir als Mieter nicht mittragen“, sagt Radloff. Sozialbindung als Augenwischerei? Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) stützt sich auf ein Gutachten, wonach in mehreren Gemeinden kein angespannter Wohnungsmarkt mehr herrsche, der eine Mietpreisbremse rechtfertigen würde. Und nach Ansicht des Ministers zeigt sich gerade im Bereich der Schaffung von bezahlbaren Wohnraum in stark nachgefragten Regionen die Stärke vom Bündnis Wohnen. Das liegt aus Beermanns Sicht auch an der Mietpreis- und Belegungsbindung. Waren es im Jahr 2018 noch 335 geförderte soziale Wohneinheiten mit neuen Bindungen, verzeichnete die Bilanz im vergangenen Jahr mehr als eine Verdopplung – nämlich 871 geförderte Wohneinheiten. Mietervertreter Radloff lässt das Argument nicht gelten. „Jeder weiß, dass die Sozialbindung bei Mietobjekten nicht unbefristet, sondern höchstens für 25 Jahre gilt“, sagt er. Linke hat Verständnis für Mieter-Unmut: Isabelle Vandré, Sprecherin für Mieten- und Wohnungspolitik der Brandenburger Linken, kann den Unmut des Mieterbundes verstehen. „Im brandenburgischen Bündnis Wohnen finden die Interessen der Mieterinnen und Mieter kein Gehör“, so Vandré. Die Reduzierung der Gemeinden mit Mietpreisbremse von 31 auf 19 durch die Landesregierung sei ein „grundfalsches Signal“. „Wir müssen in Brandenburg grundsätzlich darüber nachdenken, wie wir das Recht auf Wohnen unabhängig vom Spekulationsmarkt durchsetzen können“, meint die Linken-Politikerin. Das funktioniere etwa mit dem Bau von Bestands-Sozialwohnungen ohne Auslaufen der Bindungspflicht oder aber mit einer konsequenten Deckelung von Miethöhen. „Dafür wollen wir zum Housing Action Day am 27. März auf die Straße gehen“, sagt Vandré. Ihre Partei mobilisiert für den Tag zur Demonstration in Potsdam. Von Jérôme Lombard