Sie hat viele Stars überlebt. Aktmodell Bettie Page, Hol-schon-mal-den-Wagen-Horst Tappert, Operndiva Maria Callas oder der Märker Loriot – sie alle hätten in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag gefeiert. Am Samstag nun begeht eine Brandenburger Berühmtheit ihren runden Jubeltag. Im kleinen Kreis, denn offiziell ist sie gar keine Märkerin, auch wenn der Name es vermuten lässt. „Märkische Heide“ heißt das Lied, das Gustav Büchsenschütz 1923 als Wandervogel in der damaligen Jugendherberge „Wolfslake“ in Neu-Vehlefanz (Oberhavel) komponiert hat und das zur heimlichen Hymne des Landes avancierte.
Bei der Verleihung des Verdienstordens des Landes darf es nicht fehlen, doch in den Stand der offiziellen Hymne wurde das Stück nie erhoben. 1994 scheiterte die SPD im Landtag mit einem entsprechenden Antrag. Der Grund: „Steige hoch, du roter Adler“ sangen schon die Nationalsozialisten als Marschlied. „Das Lied wurde von den Zeitgenossen als Rechtsaußen-Lied wahrgenommen“, sagt der Historiker Michael Kohlstruck von der Technischen Universität Berlin. In der DDR war es deshalb verpönt. Büchsenschütz selbst, 1902 als Sohn eines Gendarmen in Berlin geboren, war nie Mitglied der NSDAP, soll seine Komposition aber selbst einmal als „Nazilied“ bezeichnet haben.
Nach der Wende singfähig gemacht, hat das in Misskredit geratene Lied der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). Es trage dazu bei, dass sich die Brandenburger mit ihrer Heimat identifizieren können, hatte er erklärt. Heute ist Stolpe Gast bei der Geburtstagsparty. In Kleßen-Görne (Havelland) feiert der Kulturförderverein Mark Brandenburg den Kultgesang. Die Nazi-Debatte um die „Märkische Heide“ sei „Quatsch“, sagt Werner Balder, Nachlassverwalter des 1996 gestorbenen Komponisten Büchsenschütz. Mittlerweile hat sich das Lied, zu dem es sogar eine – wenn auch nie gesungene – Strophe für ein geeintes Bundesland Berlin-Brandenburg gibt, tatsächlich bei Festen und Feierlichkeiten im Land etabliert.
Auch der neue Landesvater Dietmar Woidke (SPD) beherrscht den Büchsenschütz bereits: In einem Zelt im flutgeplagten Mühlberg (Elbe-Elster) ließ er den Adler neulich als designierter Ministerpräsident mit 500 Gästen steigen – nebst dem ebenfalls textsicheren Matthias Platzeck (SPD).
Für viele ist hingegen „Brandenburg“ von Comedian Rainald Grebe die treffendere Musik für die Mark. „In Brandenburg, in Brandenburg/Ist wieder jemand voll in die Allee gegurkt/Was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg?“ heißt es da. Mehr als 500 Millionen Mal wurde die ketzerische Konkurrenzhymne im Internet angehört. Aber: Das Lied wurde erst vor acht Jahren komponiert. Kindergeburtstag.
Von Marion Kaufmann