Brandenburg: Wie das aus den Wasser verschwindet

Jens Mader steht am Ufer des Straussees und zeigt auf die Stadt, deren Name unzertrennlich mit dem See verbunden ist. „Der See ist prägend für uns“, sagt Mader. In Strausberg (Märkisch-Oderland) lernte Mader einst schwimmen, kam als Kind an diese Stelle, um Schwäne zu füttern. Das heißt: nicht exakt an diese Stelle „Ich stehe eigentlich im See“ sagt er und zeigt mit seiner Hand etwas bis zur Brust. So hoch war das Wasser des Straussees in seiner Kindheit, sagt er. So hoch, dass seine Großmutter Angst hatte, er würde vom steilen Ufer ins Wasser fallen. Mittlerweile ist das Ufer flach. Brandenburger Seen verlieren Wasser: Das Wasser des Straussees ist in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. Wo früher Schilf war, wächst mittlerweile Gras. Stege liegen komplett an Land. Der Sprungturm der Badeanstalt führt in gefährlich flaches Wasser, die historische Badeanstalt blieb im Sommer geschlossen. „Hier fehlen locker eineinhalb Meter“, sagte Mader bei einem Ortstermin vor wenigen Wochen, als der See noch nicht unter einer Eisdecke lag. Gemeinsam mit anderen Strausbergern hat Mader 2019 die „Bürgerinitiative zur Erhaltung des Straussees“ gegründet. Ihr Ziel: Die Ursachen des „dramatischen Wasserverlusts“ sollen wissenschaftlich geklärt werden – um dann zu reagieren. Lesen Sie auch: Seddiner See: Ein Fischer verliert seinen See Der Straussee ist kein Einzelfall. Seddiner See, Groß Glienicker See, Pinnower See: In den vergangenen Jahren haben viele Gewässer dramatisch an Wasser verloren. Der Fresdorfer See ist sogar ganz verschwunden. Und die Prognose für das Seenland Brandenburg ist düster. Geograf: „Diese Dynamik wird zunehmen“: „Diese Dynamik wird zunehmen“, sagt Knut Kaiser vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Es sind keine guten Aussichten, die der Geograf für das Land mit den über 3000 Seen zeichnet. „Versteppung ist bald kein leeres Wort mehr“. Zwar hätten die Seen über die Jahrhunderte hinweg immer mal trockene, mal feuchte Perioden erlebt. Doch dann kam die Industrialisierung: Um die Flächen des Landes besser nutzen zu können, zapften Menschen Seen an, leiteten Flüsse um, förderten Grundwasser, legten Moore trocken. „Der Grundstress der Seen ist viel größer als noch vor 100 Jahren, weil der Mensch so viel verändert hat“, sagt Kaiser. Bessere Chancen für Seen an der Havel: Und dann ist noch die Trockenheit, das sich wandelnde Klima. „Wir haben viel wärmere Jahre als vor 30 oder 40 Jahren“, erklärt der Geograf. Gleichzeitig gebe es aber nicht mehr Niederschläge. Eine Abwärtsspirale beginnt: Längere Vegetationsperioden und eine höhere Verdunstung führen zu niedrigeren Grundwasser- und Seenspiegeln. Dadurch haben Tiere und Pflanzen schlechtere Lebensbedingungen – und die Qualität des Wassers nimmt ab. „Das ist eine Kette, die an ihrem Ende schlecht für den See ist“, sagt Kaiser. „Und für uns Menschen auch“. Lesen Sie auch: Erderwärmung ist in Brandenburg deutlich messbar Doch nicht alle Seen sind akut gefährdet. Bessere Aussichten haben etwa solche mit Zufluss durch die Havel: Templiner See, Breitlingsee, Plauer See. Gefährdeter seien jene Seen, die sich alleine vom Grundwasser speisen – oder vergleichsweise flach sind. Zu dieser Kategorie, sagt Kaiser, zählen etwa der verschwundene Fresdorfer See, der akut gefährdete Seddiner See – und der Straussee. Bürgerinitiative zum Erhalt des Straussees: Was Kaiser beschreibt, sieht Jens Mader täglich vor sich. „Wir verlieren Zeit“, sagt er. Seine die Bürgerinitiative verweist auf eine bestimmte Entwicklung: „Das Wasser nimmt seit 2014 rapide ab“, sagt Mader. Im selben Jahr nahm der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) das Wasserwerk Spitzmühle in Betrieb. Die Stadt Strausberg hat reagiert: Sie beauftragte ein Gutachten, das 2020 eine „Überlagerung mehrerer Einflussfaktoren“ identifizierte: Trockenheit, Verdunstung, wärmere Temperaturen und Landnutzung. Aber: Auch die Grundwasserentnahme durch Spitzmühle spiele eine Rolle. Nach Ansicht der Gutachter sei die für 20 Prozent des Wasserverlusts seit 2014 verantwortlich. Welche Rolle spielt das Tesla-Werk? Und noch eine Sache bereitet Jens Mader und seinen Mitstreitern Sorgen: die Autofabrik von Tesla. Für die Ansiedlung in Grünheide braucht der Autobauer Wasser. Dieses Wasser wird vom Wasserverband Strausberg-Erkner kommen. Und somit auch von Spitzmühle. Lesen Sie auch: Tesla plant Batteriefabrik in Grünheide Das bestätigt auch die WSE-Pressesprecherin, Sandra Ponesky. Das Tesla-Werk werde jedoch auch von den anderen Wasserwerken des Verbands versorgt, sagt sie. Ponesky kennt die Diskussionen um den Straussee – und verweist auf den schwierigen Spagat zwischen Wasserknappheit und der Versorgung der Bevölkerung. Gerade im Sommer gebe es einen „utopischen“ Wasserverbrauch, etwa durch Rasensprenger. Das von der Stadt beauftragte Gutachten ziehe jedoch an „einigen Stellen“ falsche Rückschlüsse, sagt sie. Ob das Wasserwerk arbeite oder nicht, ändere nichts am Pegelstand des Sees. Gutachten steht in der Kritik: Das Gutachten steht gleich von mehreren Seiten in der Kritik. Wie Thomas Frey, Sprecher des Landesumweltamtes mitteilt, weiche das darin verwendete Grundwassermodell von anderen Berechnungen der Grundwasserstände ab – etwa am Pegel Wegendorf. Bezüglich der Tesla-Ansiedlung werde der WSE dafür Sorge tragen, dass es „zu keiner übermäßigen Belastung eines einzelnen Wasserwerks“ komme, versichert Frey. Und die Förderung des Wassers werde sich „im Rahmen“ der maximal genehmigten Menge halten. Bereits der zweite Pegel am Straussee: Jens Mader blickt dennoch sorgenvoll auf die Zukunft seines Sees. Er betont, dass die Bürgerinitiative kein Gegner des Wasserverbands oder von Tesla sei. Es gehe ihnen um eine „ehrliche Bestandsaufnahme“ der Tatsachen. Und darum, eine optimale Lösung für die Zukunft zu finden. Für den See, die Bevölkerung und die Wirtschaft. Von Johanna Apel

Brandenburg: Wie das aus den Wasser verschwindet - eine Spurensuche am Straussee