Brandenburgs Bildungsministerin Ernst: Kein Unterricht in den Osterferien

Bildungsministerin Britta Ernst (SPD, 59) ist seit September 2017 Bildungsministerin in Brandenburg. Davor war sie in gleicher Funktion drei Jahre lang in Schleswig-Holstein tätig. Sie ist in diesem Jahr auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Britta Ernst, die aus Hamburg stammt, ist Volkswirtin und Sozialökonomin. Sie ist mit Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz verheiratet. Das Ehepaar lebt in Potsdam. Frau Ministerin, Virologen warnen vor einer gefährlichen dritten Corona-Welle durch die hoch ansteckende britische Virus-Mutante. Ist es eine gute Idee, in dieser Situation die Schulen zu öffnen? Britta Ernst: Bei aller Abwägung ja, es ist eine gute Idee. Es war eine harte Zeit, als die Schulen geschlossen waren. Inzwischen bekommen wir ein breites Bewusstsein, was Schulschließungen für Kinder und Jugendliche bedeuten. Wir haben nicht nur mit Defiziten beim Lernen zu tun, sondern auch mit sozialen Isolierungen von Kindern und Jugendlichen. In der Tat macht uns die Mutation Sorge. Aber die Virologenzunft ist sich auch nicht immer ganz einig, welche Wirkung die Mutation hat. Wir beginnen sehr vorsichtig. Die Kinder sitzen in großen Abständen und schützen sich durch Masken. Mit Beginn des Wechselunterrichts an den Grundschulen wird auch die Präsenzpflicht wieder eingeführt. Warum überlassen Sie die Entscheidung über die Gesundheit der Kinder nicht weiter den Eltern, wie es andere Länder machen? Das würde die Schulen überfordern. Sie müssen sich vor Augen halten, dass Schulen organisatorisch eine Menge zu bewältigen haben. Sie organisieren auch die Notbetreuung. Rund 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler waren in den Schulen. Mir haben Schulleiter inständig ans Herz gelegt, jetzt nicht auch noch die Präsenzpflicht aufzuheben. Sie müssten dann auch alle Kinder, die nicht kommen, mit Unterrichtsangeboten zu versehen. Das würde ihnen das Geschäft sehr schwierig machen. Gibt es Ausnahmen? Eltern, die das Risiko nicht verantworten wollen, können durch Vorlage eines Attestes nachweisen, dass ihr Kind nicht beschult werden darf. Dann kümmern wir uns auch ums diese Kinder. Lesen Sie auch: Britta Ernst im MAZ-Talk über Schulöffnungen, Impfen von Lehrern und Sitzenbleiben trotz Distanzunterricht Wie soll Präsenzunterricht und Distanzlernen zugleich gehen? Wechselunterricht ist nicht neu. Wir haben im ersten Lockdown viele Erfahrungen damit gemacht. Wir schreiben den Schulen kein Modell vor. In Schulen mit sehr kleinen Räumen funktioniert zum Beispiel wegen der geringen Abstände das Modell nicht, bei dem die eine Gruppe Montag/Mittwoch/Freitag unterrichtet wird und die andere am Dienstag und Donnerstag. Sie können dann das Wechsel- oder Schichtmodell wählen. Wer kümmert sich um die Kinder zu Hause. Das muss doch auch eine Lehrkraft machen. Nein, die Kinder bekommen für diese Tage zu Hause Aufgaben, die sie eigenverantwortlich bearbeiten müssen. Das ist das Modell aus dem Frühjahr. Die Schulen haben auch Erfahrungen gesammelt, welche Aufgaben eigenständig gelöst werden können und bei welchen die Präsenzpflicht nötig ist. Sollten Lehrer und Erzieher - ähnlich wie jetzt Polizisten - vorzeitig geimpft werden? Das würde doch auf einen Schlag viele Probleme lösen. Das würde ich mir wünschen. Aber wir haben eine Reihenfolge, die wir akzeptiert haben, wenn auch ein bisschen zähneknirschend. Unstreitig ist doch, dass Menschen mit hohen Risikofaktoren, deren Leben bedroht ist und medizinisches Personal erste Priorität haben. Erfreulich ist, dass jetzt Bewegung in die Debatte kommt und Lehrkräfte vielleicht doch eher geimpft werden. Wir haben einen Impfstoff von Astrazeneca der nur für Personen unter 65 Jahre geeignet ist. Jede geimpfte Lehrkraft ist gut für das Bildungssystem. Wann werden tägliche Schnelltests für alle Schüler eingeführt? Ich hoffe sehr, dass wir flächendeckend alle Schülerinnen und Schüler testen können. Deshalb bin ich sehr froh über die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, allen Bürgerinnen und Bürgern ein solches Angebot zu machen. Das ist der Durchbruch. Davon können wir auch im Bildungsbereich profitieren. Wir haben in Brandenburg sehr früh dem gesamten pädagogischen Personal in Schulen und Kitas ohne Symptome ein Testangebot gemacht. Das gab es nicht bei allen Berufsgruppen. Muss es eine Priorisierung geben, dass genügend Schnelltests für Schulen und Kitas zur Verfügung stehen? Der Bundesgesundheitsminister hat angekündigt, alle Bürgerinnen und Bürger bekommen einen Schnelltest. Das klingt ja gar nicht danach, dass eine Priorisierung nötig wäre. Andernfalls würde ich natürlich sehr intensiv für die Schulen werben. In den Schulen gilt Maskenpflicht. Reichen bei Kindern Alltagsmasken aus oder müssen sie jetzt medizinische Masken tragen? Es gibt eine Ausnahme für Kinder, denen medizinische Masken schlicht zu groß sind. Dann kann auf normale Masken ausgewichen werden. Aber inzwischen bietet der Markt auch solche Masken an. Ist es zu verantworten, Kinder mehrere Stunden lang mit Masken zu unterrichten? Ich persönlich habe da meine Meinung geändert. Ich fand das am Anfang in den Grundschulen sehr schwierig. Ich bin aber in der Praxis eines Besseren belehrt worden. Die Kinder gehen sehr souverän damit um. Sie haben das verstanden und wollen genauso agieren wie ihre Eltern und Geschwister. Natürlich gibt es auch welche, die das anders sehen. Aber wir halten die Maskenpflicht für vertretbar. Warum werden in Brandenburg die Schulen nicht mehr mit Luftfilteranlagen ausgestattet? Das ist eine Frage von Aufwand und Nutzen. Das Bundesumweltamt hat uns sehr nahe gelegt, dass das nur eine Ergänzung sein kann und dass die Lüftungshäufigkeit dadurch nicht reduziert werden kann. Eine Abfrage an den Schulen hat ergeben, dass der Bedarf nicht gesehen wird. Das war für uns ausschlaggebend. Wie geht es mit den anderen Jahrgangstufen weiter? Alle wünschen sich einen Plan, aber wir wissen jetzt noch nicht, ob die Mutationen das Infektionsgeschehen wieder in die Höhe treiben werden. Wir können es nicht vorhersehen. Wichtig ist die Entwicklung der Inzidenzen, der Trend. Einige Länder verharren derzeit zum Beispiel auf einem Plateau. Wichtig ist aber auch die Frage, wie viele Menschen geimpft sind. Auch die Kapazitäten der Krankenhäuser muss bewertet werden. Wenn die Infektionszahlen weiter nach oben gehen, werden Sie die Schulen wieder schließen? Ich bin dafür, die Schulen jetzt lange aufzuhalten. Aber wenn die Werte sich negativ entwickeln, werden wir uns im Kabinett beraten. Ich hoffe, dass wir unter dem Inzidenzwert 100 bleiben und wir uns weiter nach unten entwickeln. Dann können wir den nächsten Schritt gehen: Wechselunterricht an den weiterführenden Schulen. Was ist mit den Klassen, die im nächsten Jahr ihren Abschluss machen? Haben diese Jahrgangsstufen noch vor den Osterferien wieder in die Schule gehen zu dürfen. Das kann ich leider nicht beantworten. Es macht ja keinen Sinn zu sagen, wir öffnen die Schulen, wenn es die Werte dann nicht zulassen. Die Kultusministerkonferenz wird am 1. März beraten, ob wir eine Empfehlung zur weiteren Öffnung geben können. Sie wollen vor den Sommerferien erneut Lernstandsanalysen durchführen. Dabei bewerten sich Schulen selbst. Führt das nicht zu beschönigenden Ergebnissen? Die Lehrkräfte haben doch ein Interesse, genau zu wissen, wo die Schülerinnen und Schüler stehen. Ich vertraue darauf, dass sie das ordentlich analysieren. Lernstandsanalysen sind ein eingeführtes, gutes Instrument, um sich zu vergewissern, wo stehen die Schüler und wo steht die Klasse. Wir brauchen nach den Sommerferien einen unverzichtbaren und genauen Überblick, wie groß die Defizite sind, die durch die Pandemie entstanden sind. So haben wir auf dieser Basis im vorigen Jahr entschieden, dass wir Unterricht nicht in den Herbstferien oder an Samstagen brauchen. Wir werden uns beraten, wie wir das für Lehrkräfte möglichst kräfteschonend hinbekommen. Gibt es ein Aussetzen des Sitzenbleibens? Nein. Wir haben unsere Verordnung dahingehend verändert, dass wir Leistungen bewerten können, die nicht in der Schule erbracht wurden. Distanzunterricht gilt als Unterricht und wird bewertet. Wer daran nicht teilnimmt, braucht ein Attest. Nur dann gibt es Ausnahmeregelungen. Insofern wird es auch das eine oder andere Sitzenbleiben geben. Sind Klassenarbeiten im Distanzunterricht fair, obwohl man nicht kontrollieren kann, ob gespickt wird? Ja, sie sind fair. Die Lehrkraft verschafft sich einen Überblick über die Fähigkeiten der Schüler. Es gibt eine gewisse Unwägbarkeit, aber die Rahmenbedingungen sind für alle gleich. Die Klausuren sind fair, weil alle abschreiben könnten? Ich vertraue da den Schülerinnen und Schülern. Müssen in diesem Jahr die Osterferien zum Nachholen von Schulstoff genutzt werden? Sie werden Osterferien bleiben und müssen nicht für Unterricht genutzt werden. Es wäre auch nicht fair, das so kurzfristig zu machen. Trotz Pandemie haben viele Eltern Urlaubspläne. Wir werden aber freiwillige Angebote für das Lernen in den Ferien machen. Wie erfolgt der Schutz der Erzieherinnen in den Kitas? Wir haben die Kitas bewusst offen gelassen, damit Eltern Beruf und Familie vereinbaren können. Der Schutz wird durch umfangreiche Hygienepläne gewährleistet, die mehrfach überarbeitet wurden. Die Gruppen werden strikt getrennt. Das hat insbesondere die Kitas mit offenen pädagogischen Angeboten getroffen, die die Kinder nicht in festen Gruppen betreuen. Die mussten ihre Konzepte umstellen. Wir haben auch unterbunden, dass Menschen von außen in die Kitas gehen. Auch stehen zwei Schnelltests pro Woche zur Verfügung. Wann wird es an den Schulen „digitale Hausmeister“ geben? Die Administration und Wartung digitaler Geräte ist Aufgabe der Schulträger, die diese aber stark herausfordert. Weil man manchmal auch schlicht kein Fachpersonal findet. Der Bund unterstützt die Einsetzung von Systemadministratoren finanziell im Rahmen des Digitalpakts. Wird es eine Generation „Corona“ geben? Werden die Abschlüsse der Jahre 2020/21 an Schulen gleichwertig zählen? Don bin ich sehr überzeugt. Wir hatten im letzten Jahr die exakt gleiche Durchschnittsnote beim Abitur. Und das waren keine leichteren Aufgaben. Es wird vergleichbar sind. Ich mache mir eher Sorgen über den Übergang. Weil das Reisen, das Betriebspraktikum oder das freiwillige soziale Jahr wegen Corona so nicht möglich sind oder ein Ausbildungsplatz nicht gefunden wird. Von Henry Lohmar und Torsten Gellner