Brandenburgs Ministerpräsident Woidke verteidigt den Lockdown auf Sondersitzung des Landtags

Über die neuen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen in Brandenburg ist es im Landtag zu einer hitzigen Debatte gekommen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verteidigte die Fortführung des harten Lockdown und die geplanten neuen Beschränkungen. „Jeden Tag sterben in Deutschland so viele Menschen, wie in einem mittleren Brandenburger Dorf wohnen“, sagte Woidke auf einer Sondersitzung des Landtags zu den geplanten Corona-Beschränkungen. Es müsse weiter das Ziel sein, die Zahl der Infektionen zu senken. Er appellierte an die Brandenburger, sich an die neuen Regeln zu halten und Menschenansammlungen zu vermeiden. Am Mittag will das rot-schwarz-grüne Kabinett die neue Eindämmungsverordnung beschließen. Der harte Lockdown wird bis zum 31. Januar verlängert. Gastronomie, Hotels und Schulen bleiben weiter geschlossen, die Kontaktbeschränkungen werden verschärft. Neu ist, dass die Bewegungsfreiheit der Bürger in Hotspots auf einen Radius von 15 Kilometern ab Kreis- oder Stadtgrenze beschränkt wird. Dies gilt aber nur für touristische Ausflüge. Einkäufe und Arztbesuche bleiben auch außerhalb dieses Radius möglich. Ordnungsrufe für zwei AfD-Politiker: Für heftigen Widerspruch sorgte der Auftritt des Fraktionschefs der AfD, Christoph Berndt. Er forderte erneut die Aufhebung der Corona-Beschränkungen und warf der Landesregierung angesichts steigender Infektionszahlen „Misserfolg“ vor. Die weiter hohen Infektionszahlen zeigten, dass die harten Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens keine Wirkung hätten. Stattdessen sollten die besonders gefährdeten Menschen in den Pflegeheimen und andere Risikogruppen besser geschützt werden. Aus Sicht des AfD-Fraktionschefs schürt die Regierung Corona-Ängste und weckt Hoffnungen auf das Impfen, obwohl über deren Wirksamkeit und Risiken so wenig bekannt sei. Das sei unverantwortlich. Er hielt Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) überdies vor, dass ihr Agieren in der Krise „eher zu einer Aufseherin als zu einer Ärztin“ passe. Berndt machte das fest an Nonnemachers Reaktion auf seine Forderung im Dezember im Landtag, die Regelungen zur Maskenbefreiung aus der Eindämmungsverordnung zu streichen, weil diese angeblich dem Arztgeheimnis zuwider liefen. „Darauf hat die Ministerin mit einem hämischen Lachen reagiert“, so Berndt. Der „Aufseher“-Satz hatte für Berndt Folgen. Der AfD-Politiker erhielt am Ende der Debatte von Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) einen Ordnungsruf. Man könne Aufsicht in einer Behörde oder einem Museum ausüben; der Begriff „Aufseherin“ sei aber die Bezeichnung weiblicher Zivilangestellter der SS in Konzentrations- und Arbeitslagern. „Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf“, sagte die Präsidentin an den AfD-Fraktionschef gewandt. Prompt beschwerte sich der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Dennis Hohloch und nannte die Sitzungsleitung der Präsidentin „befremdlich“, weil man den Begriff der „Aufseherin“ nicht ausschließlich in einen KZ-Zusammenhang stellen könnte. Liedtke erteilte auch ihm einen Ordnungsruf – wegen Kritik an einer Entscheidung der Präsidentin. In seiner Eingangsrede hatte Regierungschef Woidke auch mit Blick auf die AfD gesagt: „Der Egoismus und die Ignoranz mancher Menschen, darunter auch Mitglieder des Landtags machen mich wütend und fassungslos.“ CDU-Fraktionschef Jan Redmann hielt Berndt vor, sich in der Rolle des „Provokateurs“ zu gefallen – „wie ein kleiner Schuljunge“. Der Schlagersänger Michael Wendler habe in dieser Woche von „KZ-Deutschland“ gesprochen und nun bezeichne der AfD-Fraktionschef die Ministerin Nonnemacher als „Aufseherin“, so Redmann. „Das ist das Niveau, auf dem die AfD im Landtag Brandenburg angekommen ist.“ Ein überraschendes Geständnis des SPD-Fraktionschefs: Auch über die Corona-Politik würde debattiert. SPD-Fraktionschef Erik Stohn warb in seiner Rede für einen schärferen Kurs in der Corona-Krise und räumte überraschend selbstkritisch ein: „Ich hatte geglaubt, dass wir mit milderen Mitteln zu größeren Erfolgen kommen.“ Doch jetzt müsse Schluss mit Formelkompromissen sein, sagte Stohn. Er wolle keine zu frühen Öffnungsschritte mehr, die später nur bereut würden. „Ich habe keine Lust auf ein weiteres Corona-Jahr.“ Vor einer sinkenden Akzeptanz der Corona-Maßnahmen bei der Bevölkerung warnte für die Freien Wähler der Abgeordnete Matthias Stefke. So seien die Hilfszusagen für finanzielle Einbußen von Betrieben bisher nicht eingehalten worden. Auch sei es immer noch nicht gelungen, Erkenntnisse zu gewinnen, an welchen Orten sich Menschen infizieren. Trotzdem werden alle Lebensbereiche dich gemacht. „Das ist kein Vorgehen, das Vertrauen schafft.“ Aus Sicht von Stefke gibt es in der neuen Verordnung etliche Widersprüche. So blieben Friseure weiter geschlossen, obwohl gerade dieses Handwerk vorbildhaft Hygienekonzepte entwickelt habe. „Die Menschen warten aber nicht, bis sie aussehen wie Robinson Crusoe, sondern gehen zu Friseuren nach Hause, wo ein viel höheres Ansteckungsrisiko besteht.“ Kritik wurde von mehreren Rednern am holprigen Start der Impfstrategie der Grünen-Gesundheitsministerin geübt – auch aus der Koalition. SPD-Fraktionschef Stohn sagte: „Wir müssen besser werden, auch technisch.“ Er wünsche sich eine Impf-Hotline in jedem Landkreis. Auch müsse es mehr als nur 11 Impfzentren im Land geben, am besten in jedem Kreis sowie eine höhere Zahl an mobilen Impfteams. Der Fraktionschef der oppositionellen Linken, Sebastian Walter, kritisierte, dass es nur eine Telefonhotline gebe, die nie zu erreichen sei. Auch hätten die Impfberechtigten per Post verständigt und der Transport von alten Menschen organisiert werden müssen. Ministerin Nonnemacher meldete sich am Ende der Debatte noch einmal zu Wort. Sie räumte ein, dass auch sie unglücklich über die Hotline sei, die ständig zusammenbrach. „Wir nehmen die Kritik ernst“, versprach sie. Einige Fehler seien behoben worden, andere in Arbeit. Sie werde am Montag im Gesundheitsausschuss dazu ausführlich Stellung nehmen, versprach die Ministerin. Von Igor Göldner