Brandenburgs Schüler arbeiten konzentriert im Homeschooling

„Im Moment schreibe ich gerade alles zusammen“, sagt Justin Kriegseis. Der Abiturient sortiert den Stoff für die Chemieprüfung, einem Schwerpunkt seines Abiturs. Nach wie vor geht das Bildungsministerium insbesondere nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Mittwoch davon aus, dass in Brandenburg am 20. April die Abiturprüfungen beginnen. Da Kriegseis wie sein gesamter Jahrgang am Alexander von Humboldt Gymnasium in Eberswalde (Barnim) vor allem Aufgaben lösen muss, um sich auf diese Prüfung vorzubereiten, ist das durch die Corona-Krise erzwungene Homeschooling im Moment gar kein so großer Einschnitt für ihn. Barnim hat eine eigene Lernplattform: Rund vier Stunden arbeitet Kriegseis zu Hause für die Schule, mal mehr, mal weniger. Die Aufgaben hatte er entweder schon zuvor mitbekommen oder sie werden ihm per Mail zugeschickt. „Das Alexander von Humboldt Gymnasium hat das gut gelöst“, sagt der Schüler. Die Schule nutzt wie viele Einrichtungen des Landkreises die Plattform „lernen.barnim.de“. „Das ist eine Superplattform“, sagt Kriegseis. „Die Lehrer können hier alles hochladen.“ Außerdem seien seine eigenen Lehrer recht kreativ. Der Deutschlehrer wolle demnächst über Skype eine Präsentation zur Lyrik der Postmoderne versuchen. Schwerer hätten es da seine beiden jüngeren Schwestern. „Der Frontalunterricht fehlt einfach“, sagt Kriegseis. Trotzdem seien auch seine Schwestern gut bei der Sache. Schon nach dem Frühstück setzten sie sich an die ihnen gestellten Aufgaben und seien bis in den frühen Nachmittag recht konzentriert. Problematisch wird es, wenn die Schwestern Fragen haben, die sie normal dem Lehrer stellen würden. „Unseren Eltern fällt es da manchmal schwer, bestimmte Inhalte zu vermitteln.“ Dennoch machten die Schüler das Beste aus der Situation. „Sie haben alle einen Plan erstellt, wann sie was machen wollen.“ Homeschooling sei zumindest in seiner Familie kein leeres Wort: „Wir sind konzentriert dabei“, versichert er. Potsdamer Gymnasium ist digital gut aufgestellt: Digital gut aufgestellt ist zum Beispiel das Hermann von Helmholtz-Gymnasium in Potsdam. Dort hat die Arbeitsgruppe digitale Medien die Infrastruktur bereitgestellt. Schon vor zwei Jahren hat zum Beispiel der Fachbereich Informatik E-Mail-Adressen und Passwörter für alle Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrer eingerichtet. Das kommt der Schule jetzt zugute. „Das Helmholtz-Gymnasium arbeitet zurzeit ausschließlich online mit Office 365 Microsoft Teams“, teilt das Gymnasium auf MAZ-Anfrage mit. „Die dort aufgegebenen Aufträge beziehen sich sowohl auf digitale Materialien, als auch auf die gedruckten Lehrmaterialien, die die Schülerinnen und Schüler mit nach Hause genommen haben.“ Das Gymnasium ist sehr optimistisch, was Umfang und Qualität ihres derzeitigen Heimunterrichts angeht. „Unsere Schülerinnen und Schüler erhalten in allen Unterrichtsfächern Aufgaben zur Festigung Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten und zum Teil erarbeiten sie sich neue Lerninhalte“, sagt die Schulleitung. Durch viele Nachfragen aus allen Klassen und Kursen wüssten die Lehrkräfte, dass sich alle Schüler am Heimunterricht beteiligten. Nicht zuletzt müssten sie ihre Arbeitsergebnisse auch hochladen. In manchen Regionen ist Fernunterricht schwer: Nicht überall ist man mit der Digitalisierung so weit wie an dieser mathematisch-naturwissenschaftlich orientierten Schule in der Landeshauptstadt. Das Schulzentrum Fontaneschule Neuruppin (Prignitz-Ruppin) musst zum Beispiel seinen Schülern kurz vor der Schließung weitgehend Lehrbücher und Papiere mit nach Hause geben. „Weitere Aufgaben und individuelle Hilfestellungen werden seit Mittwoch über Kommunikationswege, die Office 365 bereitstellt, den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt“, erklärt die Schulleitung. Das funktioniere nicht immer reibungslos. Einige Schüler hätten zum Beispiel keinen Zugang zum Internet oder verfügten zu Hause nicht über einen Rechner. Trotzdem versucht auch das Schulzentrum in der Prignitz einen möglichst vollständigen Unterricht. „Der Fächerkanon wurde fast vollständig mit Aufgaben abgedeckt“, so die Leitung. Sogar für das Fach Sport werde es ab Donnerstag ein Workout geben. Nur 20 Prozent der Lehrer-Adressen gelistet: „Die Ausstattung ist im Land Brandenburg sehr unterschiedlich“, räumt das Bildungsministerium ein. Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) sagte am Donnerstag im Bildungsausschuss, die Situation wäre leichter zu bewältigen, „wenn die Schulen in der Digitalisierung etwas weiter wären“. Die kommunalen Trägern bauen derzeit mit Mitteln des Digitalpaktes die digitalen Strukturen derzeit erst auf. Das Bildungsministerium beteiligt sich selbst an diesem Aufbau, indem es die Plattform „weBBcloud“ als Ergänzung zu bestehenden Schulhomepages vorhält. „Über diese können die Schulen in einem separat geschützten Bereich sowohl Informationen als auch Dokumente für Eltern und Schüler zur Verfügung stellen“, erklärt Sprecherin Ulrike Grönefeld. Allerdings ist auch diese Plattform erst im Aufbau. So sind auch dort noch nicht alle dienstlichen E-Mail-Adressen der Lehrerinnen und Lehrer des Landes zu finden. Bei den Grundschullehrern sind 28 Prozent der E-Mails in vorhandene Onlineplattformen eingepflegt, bei anderen Schultypen nur 20 Prozent. Das Bildungsministerium geht davon aus, dass sich alle Schulen und alle Schülerinnen und Schüler am Homeschooling beteiligen und dafür auch die vorhandenen digitalen Möglichkeiten nutzen. Das Angebot des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts (HPI), das neue digitale Unterrichtswerkzeug der Schulcloud kurzfristig auf 150 weitere Schulen auszudehnen, wird vom Ministerium begrüßt. Derzeit sind nur 51 Schulen an das Pilotprojekt angeschlossen. „Zurzeit wird es auf seine Machbarkeit für Schulen des Landes Brandenburg geprüft“, so Grönefeld. Von Rüdiger Braun

Corona - Brandenburgs Schüler engagiert im Homeschooling