Corona-Krise: In Brandenburg drohen trotz Soforthilfen Privatinsolvenzen

Wegen der Corona-Krise bangen viele Brandenburger um ihre finanzielle Existenz. Bei vielen Privathaushalten ist während der Zeit des Lockdowns zumindest ein Teil ihres Einkommens weggebrochen. Sie waren oder sind in Kurzarbeit oder hatten als Soloselbstständige keine Einnahmen und Aufträge mehr. Deutlich spürbar werden dürfte dies aber erst im Herbst, erwarten Schuldnerberater. „Der Beratungsbedarf nimmt zu. Die Menschen bitten verstärkt um Termine“, sagt Sandra Wirges von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas in Cottbus. „Momentan können viele Menschen in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit die Einnahmeausfälle noch überbrücken. Das wird sich voraussichtlich im Herbst ändern“, sagt sie. Meldepflicht ausgesetzt: Dann rollt auf Deutschland nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform eine Pleitewelle zu, die zunächst Unternehmen und in der Folge viele Verbraucher treffen wird. „Im Herbst werden wir eine Insolvenzwelle erleben. Denn Ende September läuft die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aus“, ist Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform überzeugt. Lesen Sie: Hier leben die meisten überschuldeten Brandenburger Derzeit müssen Unternehmen, die wegen der Corona-Krise zahlungsunfähig geworden sind, nicht innerhalb von drei Wochen Insolvenz anmelden. Wenn diese Ausnahmeregelung noch einmal verlängert wird, könnte die Insolvenzwelle Anfang 2021 über Deutschland schwappen. Krise trifft Dienstleister früher: Anders als bei der Finanzkrise vor zwölf Jahren treffe die Corona-Krise die gesamte Breite der Wirtschaft. Und viele Dienstleister, Gastronomen, Einzelhändler und Soloselbstständige seien diesmal im Unterschied zu einer üblichen Rezession von Anfang an betroffen, heißt es. Im ersten Halbjahr 2020 hat man bei der Creditreform noch keine Zunahme der Privat- und Unternehmensinsolvenzen beobachtet. Im Gegenteil sind die Zahlen wie in den vorigen Jahren zurückgegangen. Die staatlichen Überbrückungshilfen hätten die tatsächliche wirtschaftliche Situation verschleiert, heißt es. Auch die Privatverschuldung in Brandenburg war zuvor gesunken. 20 Prozent mehr Pleiten erwartet: „Nach aktuellem Stand sehen wir eine Zunahme der Insolvenzen um rund 20 Prozent für das Jahr 2020 gegenüber 2019“, so Hantzsch. Die Hauptinsolvenzlast werde im ersten Halbjahr 2021 zum Tragen kommen. Mit den Unternehmenspleiten werden in Folge der Arbeitslosigkeit auch die Verbraucherinsolvenzen zunehmen. Das könne auch viele Menschen betreffen, die derzeit noch in Kurzarbeit sind, befürchtet Hantzsch. In den zurückliegenden Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Niedrigstzinsen haben sich viele Verbraucher dazu entschlossen, eine Immobilie zu erwerben. Solche Kreditverpflichtungen drohen viele Haushalte finanziell zu überfordern. „Es muss noch nicht einmal ein Hausbau sein. Es reicht, wenn Sie ein Auto abbezahlen müssen und arbeitslos werden“, so Wirges. Insolvenzen gingen stetig zurück: Die Schuldnerberaterin unterscheidet zwei Gruppen von Klienten: Eher junge Menschen, die über ihre Verhältnisse leben und Konsumschulden anhäufen, und ältere Menschen, die durch Krankheit oder Jobverlust unverschuldet in Finanznöte geraten. Vor allem diese Gruppe dürfte in diesem Jahr deutlich größer werden, befürchtet Wirges. Die Zahl der Unternehmens-Insolvenzen war in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. 2010 meldeten in Brandenburg 676 Firmen Insolvenz an. 2019 waren es nur 382. 2 459 Verbraucher mussten Privatinsolvenz anmelden. Von Torsten Gellner