Corona in Brandenburg: Land will per Krisen-Verordnung Kommunalpolitik bis Juli einschränken

Die Städte und Gemeinden im Land sollen angesichts der Corona-Ansteckungsgefahr die Arbeit in ihren Kommunalvertretungen auf Krisenmodus umstellen und Kontakte zwischen Entscheidungsträgern verringern. Die Landesregierung hat dazu eine Verordnung erarbeitet, die bereits am Mittwoch durchs Parlament gebracht und auch gleich beschlossen werden sollte – allerdings verweigerte die AfD sich als einzige Partei im Landtag einer Verkürzung der Antragsfristen. Sie beträgt fast zwei Wochen bei Gesetzesänderungen. Deshalb kann das Thema an diesem Mittwoch nicht auf die Tagesordnung des Parlaments genommen werden. Mehr Video- und Telefonkonferenzen: Die Verordnungsermächtigung (Überschrift: „Notlage“) sieht vor, dass Versammlungen künftig auch als Video- oder Telefonkonferenzen abgehalten werden können. Das ist derzeit laut Kommunalverfassung nicht zulässig, denn der Gesetzgeber wollte ursprünglich der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, den Prozess der Entscheidungsfindung live in Gänze mitzuerleben. Zulässig soll außerdem ein sogenanntes Umlaufverfahren sein. Darin unterschreiben alle Mitglieder schriftlich der Reihe nach – von zu Hause. Ziel der Regelung ist es, Versammlungen in Ratssälen oder Sitzungsräumen zu vermeiden, damit sich die Kommunalpolitiker und Verwaltungsmitarbeiter nicht gegenseitig infizieren. „Instrumentenkasten für Kommunen“: Mit der Verordnung wollen die Regierungsfraktionen außerdem Kompetenzen für eine begrenzte Zeit von Stadtverordnetenversammlungen auf den jeweiligen kommunalen Hauptausschuss übertragen. Der besteht aus deutlich weniger Personen. All diese Regelungen sind laut dem Entwurf bis zum 30. Juni befristet, wie SPD-Generalsekretär Erik Stohn bestätigte. „Es geht darum, den Kommunen einen Instrumentenkoffer an die Hand zu geben“, sagte Stohn. Lesen Sie auch: Regieren in Zeiten von Corona – der Landtag Der CDU-Landtagsabgeordnete André Schaller äußerte: „Es gibt an der Basis einen Wildwuchs. Kommunalparlamente können teilweise nicht tagen.“ Deshalb müsse es eine Notregelung geben. Die sei aber dringend zeitlich zu begrenzen. Knackpunkt Öffentlichkeitsgebot: Der Städte- und Gemeindebund hatte bereits zu Beginn der vergangenen Woche abgestimmt mit dem Innenministerium Vorschläge gemacht, wie die Handlungsfähigkeit der untersten demokratischen Entscheidungsebene im Land aufrechterhalten werden kann. In dem Papier heißt es, einige Kommunen ließen ihre Gremien mittlerweile in Turnhallen tagen, um den Abstand zwischen den Teilnehmern zu vergrößern. Eine zahlenmäßige Beschränkung der Zuschauer hält der Verband für rechtlich möglich. Er verweist aber darauf, dass eine komplette Missachtung des Öffentlichkeitsgebots später vor Gericht dazu verwendet werden könnte, Beschlüsse für ungültig zu erklären. „Mögliche Infektionsgefahren sind kein von der Kommunalverfassung vorgesehener Grund, die Öffentlichkeit auszuschließen“, warnt der Verband. Das tägliche MAZ Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Brandenburg täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Die Versammlungen sollten sich derzeit nur mit den absolut notwendigen Themen befassen, rät der Städte- und Gemeindebund. Möglichst viele Themen sollen direkt von den hauptberuflichen Verwaltungsleiter (Bürgermeister, Amtsdirektoren) entschieden werden. Besonders die Nutzung elektronischer Übertragungsformen sei unter den jetzigen Bedingungen höchst wünschenswert, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburgs, Jens Graf. „Es wäre jetzt an der Zeit, dass man diese Möglichkeiten ausnutzt“, sagte Graf. Telefonkonferenzen seien in vielen Unternehmen und Verwaltungen bewährte Praxis. AfD will nicht bei Schnellverfahren mitmachen: Die Weigerung der AfD, die Gesetzesänderung im Schnellverfahren ins Parlament zu bringen, sorgte am Dienstag für Spannungen im Landtag. Die Rechtspopulisten hatten argumentiert, ihnen sei nicht genug Zeit gegeben worden, um die „Notstandsgesetzgebung“ (Andreas Kalbitz) rechtlich zu prüfen. „Wir sind nicht gegen den Inhalt, aber finden es nicht gut, ein Gesetz von dieser Tragweite so durchzujagen“, sagte Fraktions-Chef Andreas Kalbitz. Es gehe nicht um eine Blockadehaltung – den Nachtragshaushalt trage die Partei zum Beispiel mit. Kalbitz schlug eine Sondersitzung eines verkleinerten Parlaments noch vor Ostern vor. CDU-Fraktions-Chef Jan Redmann warf der AfD vor, sie habe „den Ernst der Lage nicht verstanden“. An vielen Orten im Land würden Sitzungen abgesagt. Viele der oft schon älteren Kommunalpolitiker hätten Sorge, sich in den vollen Sitzungssälen anzustecken. Dabei seien dringend Entscheidungen zu treffen – etwa zu Haushaltsfragen. Kommunale Kliniken bräuchten Geldspritzen, um mit den finanziellen Ausfällen und Zusatzbelastungen im Zuge der Covid-19-Krise zurecht zu kommen. „Unsäglich“ nannte SPD-Generalsekretär Erik Stohn das Agieren der AfD. Es gehe um ein parteipolitsich neutrales, sehr dringendes Anliegen. Alle Parteien hätten helfen wollen – außer der AfD. Die Partei könne „lediglich Stöckchen in die Speichen werfen“, so Stohn. Bedauern kam auch vom Städte- und Gemeindebund. Geschäftsführer Graf sagte, er hätte sich vom Landtag ein Zeichen der Handlungsfähigkeit gewünscht. Nun werde das Vorhaben „sehr stark verzögert“. Der Präsident des Brandenburger Landkreistags, Potsdam-Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig (SPD) sagte, er sei „zutiefst entsetzt“, dass die AfD den Kommunen diesen „Befreiungsschlag“ verwehre. Jetzt werde sich eine Not-Regelung für die Kommunen bis nach Ostern hinziehen. Dabei seien gerade bei der Vergabe von Nothilfen Kreistags-Entscheidungen nötig. Von Ulrich Wangeman

Corona: Streit mit der AfD in Brandenburg - Land will per Krisen-Verordnung Kommunalpolitik bis Juli einschränken