Das sagen MAZ-Leser zum Fehlstart bei der Corona-Impfung in Brandenburg

Seit dem 27. Dezember wird in Brandenburg der Biontech-Impfstoff gegen das Coronavirus verabreicht. Doch die Impfkampagne ist schleppend und zum teil chaotisch angelaufen. Für großen Ärger bei den MAZ-Lesern sorgte die Telefon-Hotline zur Terminvergabe, die am 4. Januar freigeschaltet wurde – und noch immer kaum zu erreichen ist. Hier lesen Sie den Erfahrungsbericht eines MAZ-Redakteurs, der gerne einen Impftermin für die betagte Schwiegermutter vereinbart hätte. MAZ-Leser Ferdi Breidbach aus Großbeeren nennt „das Versagen der Landesregierung dramatisch, für Betroffene furchterregend“. Breidbachs eigene Erfahrungen mit der 116 117 sind wie folgt: „Vom 4. bis 5. Januar (18 Uhr) habe ich 62-mal versucht, im Call-Center einen Mitarbeiter zu erreichen, um einen Termin zu vereinbaren. Ergebnis: 62-mal durfte ich mir anhören „Wir helfen“, um dann auf Möglichkeiten des Angebots und natürlich auf Datenschutzbestimmungen hingewiesen zu werden. Anschließend wurde mir mitgeteilt: Kontakt nicht möglich, es rufen zu viele an, versuchen Sie es später noch einmal. Von Nachbarn und Freunden wurde ich darüber informiert, dass es ihnen ebenso ging. Ergebnis: Neun Personen haben es – so wie ich – nicht geschafft, in zwei Tagen einen Termin/Kontakt zu bekommen. ,Wir helfen’ ist vor diesem Hintergrund Hohn und Lüge.“ „Es ist auch weiterhin chaotisch“, schreibt uns Gerhard Lühmann aus Birkenwerder. „Ich bin 90 Jahre alt und versuche vergeblich über 116117 eine Verbindung zu bekommen. Wenn es so weitergeht – wenig Impfstoff, keine offene Leitung – wird es wohl nichts mit der Herdenimmunität. Aber bis 91 habe ich ja noch ein paar Tage oder Wochen Zeit. Die Idee mit der 116117 war jedenfalls ein Witz. Dabei liegen alle Daten wie Geburtsdatum etc. bei der AOK vor, man müsste nur darauf zurückgreifen, in Zeiten der Computertechnik wohl kein Problem, oder doch?“ Reinhold Fiedler (83) schreibt uns aus dem Pflegeheim in Potsdam-Waldstadt, wo er mit seiner Frau lebt. „Brandenburg gehört weiter zu den langsamsten Ländern bei der Impfung in den Altersheimen, Impfpotential blieb weitgehend ungenutzt. Trotz des steigenden Ausbruchsgeschehens in den Altenheimen wird das vorhandene Impfpotential nicht wie in Mecklenburg-Vorpommmern zur Immunisierung genutzt. Wir sind im Pflegeheim Waldstadt betroffen. Die Infektion breitet sich weiter aus.Mit der Impfung soll erst in der nächsten Woche begonnen werden, dann dauert es noch acht Tage, ehe ein Schutz der Bewohner und Pflegekräfte erreicht ist. Eine Reserve für die zweite Impfung ist laut Impfkommission beim RKI nicht erforderlich,da die zweite Impfung auch zwölf Wochen nach der ersten die gleiche Langzeitwirkung hat.Mit den vorhandenen Impfstoffen könnte so mehr Erkrankten geholfen und ein Anstieg der Infektionen verhindert werden.“ Marlies Scheller – ihre Mutter ist 86 – hat keine gute Erfahrung mit der Impf-Hotline 116117 gemacht. „Nach Anruf der Hotline 116117 gegen 8 Uhr wurde sie (die Mutter) nach Befragen der Postleitzahl zum Brandenburger Callcenter weitergeleitet. Die dortige Mitarbeiterin verwies meine Mutter an ihre Hausärztin, die die Impfung vornehme. Wie gesagt, die 86-jährige, Gott sei Dank rüstige Rentnerin war zwar verwundert, ging aber dann anschließend zur Hausärztin. Natürlich wird dort nicht geimpft und es werden auch keine Termine vergeben. Wie können im Callcenter solche Aussagen getroffen werden? Wie bekannt, können die Hausarztpraxen derzeit noch nicht impfen. Wie kann man alte Leute so informieren? Wie sie zu den Impfungen in Potsdam oder Cottbus dann hinkommen, ist ihnen auch selbst überlassen.“ Lesen Sie auch: 15-Kilometer-Radius: Das sagen MAZ-Leser zur geplanten Corona-Leine Ulrich Köhler aus Meyenburg reagiert auf den MAZ-Bericht „Impfbereitschaft: Viele Brandenburger zögern noch“ und merkt an: „Nun zähle ich nicht zu den ‚Vielen’. Also bleibt mir nur noch ungefragt auszusagen: Selbstverständlich lasse ich mich impfen, wenn genügend Impfstoff zur Verfügung steht und ich an der Reihe bin - und meine Frau auch. Selbstverständlich halte ich nach der Impfung weiter Abstand, Trage eine Atemmaske, halte die Regeln ein - bis das große Aufatmen beginnen kann, in unserer Region, unserem Land und überhaupt. Jetzt wäre ich froh, wenn auch meine Meinung öffentlich gemacht werden könnte.“ Kurz und knapp formuliert Siegfried Marquardt aus Königs Wusterhausen seine Meinung zum „Impfchaos“, wie er es bezeichnet. „Die deutschen Politiker sind nicht in der Lage, elementare praktische Probleme des Gesundheitssystems zur Corona-Pandemie zu lösen.“ Lydia Fiedler aus Potsdam, nach eigenen Angaben „Heimbewohnerin in Quaratäne“, merkt an: „Die Begründung des Gesundheitsministerium zur äußerst zögerlichen Impfaktion in Brandenburg ist sehr befremdlich und zynisch gegenüber den Heimbewohnern, die seit Wochen eingesperrt sind. Ich habe drei Quarantänephasen im Bergmann-Klinikum, in der Rehaklinik in Beelitz und jetzt im Pflegeheim erlebt. Die Isolierung im Heimzimmer mit untersagten Kontakten zu den Mitbewohnern und die Besuchsverbote seit etwa drei Wochen machen die Pflege und Betreuung für das Pflegepersonal noch schwerer. Das Essen wird nur noch im Zimmer verabreicht. Ich und Viele der Mitbewohner warten sei der Zulassung des Impfstoffes am 21. Dezember auf den Impfbeginn und die Immunisierung im Heim. Nach der ersten Impfung dauert es noch acht bis neun Tage bis zu einer gewissen Immunität, hat mir mein Sohn (auch Virologe) erklärt. Es ist bei den Todeszahlen von über 1000 ein Gebot der Menschlichkeit, jede verfügbare Impfdose zu verimpfen! Es geht nicht um Medienevents, sondern um kranke sterbende Menschen. Da zählt jeder Tag und jede eingesetzte Impfdose. Wir bitten dringend um einen Impfbeginn im Pflegeheim. Eingelagerte Impfdosen helfen uns nicht.“ Peter Menz aus Blankenfelde-Mahlow schreibt über die seiner Meinung nach „unverständlichen fadenscheinigen Erklärungen zu dem Chaos bei der Terminplanung“. Auch er habe versucht, bei den „zuständigen“ Einrichtungen telefonisch eine Auskunft zu den Modalitäten der Terminvergabe zu erhalten, „leider trotz vieler Versuche ergebnislos. Ich wollte nur eine Auskunft, keinen Impftermin, da hatte ich sowieso keine Hoffnung. Obschon ich mit vierfach potenzierten Risikofaktoren ganz oben in der Prioritätenliste stehen müsste. Erstens über 80 Jahre alt, zweitens Krebspatient mit Chemotherapie, drittens zu Anfang des Jahres 2020 eine Lungenentzündung, viertens als Institutsleiter und Sachverständiger beruflich tätig. Wer kann noch mehr vorweisen? Schon das ewige Geschwafel ’Wir müssen die Älteren schützen’ hat mich irritiert. Meine Frau und ich wurden nicht geschützt.“ Kristin Kuring, Ärztin aus Potsdsam, schreibt: „Ich möchte dringend darauf hinweisen, dass Geimpfte keine sterile Immunität besitzen.Das bedeutet, dass ein Geimpfter, wenn er sich mit dem Virus ansteckt, diesen an andere weitergeben kann. Er ist somit potentiell infektiös und kann andere anstecken, auch wenn er keine Symptome hat. Geimpfte müssen auch Maske tragen, um andere zu schützen! Ich finde, das wird viel zu wenig thematisiert. Und das ist gefährlich. Sonst schießen wir uns selbst ins Knie. Via Facebook meldet sich Henryk Goetz zu Wort: „Ob zu wenig Impfstoff da wäre, oder nicht, wäre nur dann interessant, wenn die Impfzentren voller Menschen wären und es wäre keiner da. Nun sind die Zentren aber nur spärlich besucht und es steht noch genug Serum im Kühlschrank.“ Diana Harm merkt zu einer Äußerung von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) an: „Anerkennende Worte statt Gemecker wären schön? Vielleicht wäre eine plausible Erklärung möglich, warum in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt (Flächenländer wie Brandenburg) ganz zackig tausende Menschen innerhalb von Tagen geimpft werden – und hier wundert man sich, dass so viele Leute die Impfhotline anrufen? Andere Länder kriegen es besser hin, das lässt sich nicht schönreden.“ Silke Bittmann aus Wustermark berichtet von ihren Erlebnissen an der Hotline: Am Montag (4. Januar) habe ich versucht, für meine Eltern einen Impftermin zu vereinbaren. Den ganzen Tag über waren es ca. 25 Wählversuche. Kurz nach 19 Uhr hat es dann geklappt. Ich bin durchgekommen, hing aber noch weitere 20 Minuten in der Warteschleife. Dann hatte ich eine Dame am anderen Ende. Mir wurden 7 Gesundheitsfragen gestellt, davon habe ich 2 mit "ja" beantwortet und damit war ich raus. Mir wurde gesagt, dass meine Eltern vom Hausarzt eine Bestätigung benötigen, dass der Impfung nichts entgegen steht. Welcher Mensch über 80 hat nicht irgendein gesundheitliches Problem? Das würde ja bedeuten, dass sich jeder erstmal zu seinem Hausarzt begeben muss, um dieses Attest zu bekommen. Ich habe so lange die Leitung blockiert und nichts erreicht. War somit stinksauer.“ Auch Maja Lenuweit möchte „ihrem unglaublichen Ärger Luft machen. Seit Montag versuche ich inzwischen weit über 100-mal zumindest in die Warteschleife zur Terminvergabe zu kommen, chancenlos! Den Termin möchte ich für meinen 88 Jahre alten Vater, der dies allein nicht bewerkstelligen kann und mich aber täglich fragt, ob ich denn nun schon einen Termin für ihn hätte. Ich bin inzwischen echt verzweifelt, glaube schon nicht mehr an die Möglichkeit, dort überhaupt mal durchzukommen.“ Peter Johann Gardosch (90) ist ebenfalls verärgert. „Ruft man bei der 116117 an, wird man auf die Verbindung 1 und dort auf die Telefonnummer (0331) 866 50 50 verwiesen. Da erhält man die Antwort, die angerufene Stelle hat mit der Corona-Impfung nichts zu tun. Die aufgeklärten ,Mumien’ wie ich rufen dann beim Gesundheitsministerium in Potsdam an. Dort erhält man eine höfliche Entschuldigung: Der Brandenburger Teil der 116117 sei zusammengebrochen wegen zu großem Ansturm. Es werde eifrig an der Reparatur gearbeitet. Doch bis heute ist kein Impftermin zu erhalten. Meine Fragen hierzu waren: Haben sie keine Computer? Oder wird noch wie in der guten alten DDR mit Abakus gerechnet? Was stellt sich die Politik vor, wie sie die Impfwilligkeit erhöhen könne? In den Medien läuft alles perfekt, in der Realität nicht!“ Von MAZonline