Nach dem Stopp der Kreisreform will Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nun mit einem Acht-Punkte-Plan die kommunalen Verwaltungsstrukturen verbessern. Ziel müsse es jetzt sein, die freiwillige Zusammenarbeit der Kommunen zu stärken und die Digitalisierung voranzutreiben, sagte Woidke am Mittwoch im Landtag in einer Regierungserklärung. Zudem solle das Miteinander von Land und Kommunen verbessert und die Schuldenspirale der kreisfreien Städte durchbrochen werden. Vor allem Cottbus ist derzeit mit 250 Millionen Euro an Kassenkrediten hoch verschuldet. Die Kulturangebote in größeren Städten wolle das Land zudem besser finanziell unterstützen.
Zugleich verteidigte er den Stopp der umstrittenen Kreisreformpläne. "Die Durchsetzung dieser Reform hätte das Miteinander in unserem Land gefährdet. Es drohten Zwietracht und Spaltung", sagte Woidke. Der Opposition warf er das Schüren von Ängsten in der Bevölkerung vor. Die Neuordnung einer Verwaltung sei eine komplizierte Angelegenheit. "Wer aber so ein Vorhaben wider besseres Wissens als "Vernichtung von Heimat" darstellt, der versetzt Menschen in Angst, um auf billige Weise politisch zu punkten", sagte Woidke.
Oppositionsführer Ingo Senftleben (CDU) wertete das Ende der Reform als Erfolg der Volksinitiative und der Bürger. "Die Reform musste gestoppt werden, weil 130.000 Bürger gesagt haben, wir lassen uns nicht zusammenlegen und wir lassen uns nicht ausradieren", sagte der Fraktionschef. "Herr Woidke, Sie haben die Reform nicht gestoppt - Sie sind an der Kreisreform gescheitert", rief Senftleben. Daher könne es mit der rot-roten Landesregierung nun kein «Weiter so!» mehr geben. "Wir brauchen aus diesem Dilemma einen Ausstieg - und der heißt in Brandenburg Neuwahlen", forderte Senftleben.
Auch die AfD warf der rot-roten Koalition handwerklich schlechte Pläne vor. "Rot-Rot hat fertig", sagte Fraktionschef Andreas Kalbitz. CDU und AfD hatten jeweils Anträge auf vorzeitige Auflösung des Landtags gestellt, über die am Nachmittag abgestimmt werden sollte. Weil allerdings zwei Drittel der Abgeordneten dafür stimmen müssten, wurden den Anträgen keine Chancen eingeräumt.
Die Grünen, die sich nicht grundsätzlich gegen die Reform gestellt hatten, warfen der Koalition vor, das Thema Kreisreform nicht bereits im Landtagswahlkampf 2014 thematisiert zu haben. So habe es an Rückhalt gefehlt.
Die Reform hatte vorgesehen, dass mehrere Landkreise und kreisfreie Städte fusionieren, um auch bei einem Bevölkerungsschwund in berlinfernen Regionen eine moderne Verwaltung anbieten zu können. CDU, AfD und die nicht im Landtag vertretene FDP hatten das Projekt massiv bekämpft.
In seiner Regierungserklärung skizzierte Woidke auch grundsätzlich wesentliche Ziele der Koalition. Mit dem Nachtragshaushalt 2018 werde der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur forciert. "Brandenburg steht vor einem Jahrzehnt der Investitionen", sagte Woidke. Die Bundesregierung warnte er vor Eingriffen beim Mindestlohn. Er hoffe, dass er schon bald auf zehn Euro pro Stunde steige.
Der Fraktionschef der Linken, Ralf Christoffers, sagte, die Reform der Verwaltung sei nur eine der Aufgaben. Die Landesplanung, das Mobilitätskonzept oder die künftige Kommunalfinanzierung stünden weiterhin an. Es gehe darum, das Land jetzt so zu organisieren, dass es auch in zehn bis fünfzehn Jahren auf der Höhe der Zeit sei.
In der zeitweise hitzigen Debatte rief Landtagspräsidentin Britta Stark auch die Ministerriege zur Ordnung. Zwischenrufe seien zu unterlassen. Stark nahm insbesondere Vize-Regierungschef Christian Görke (Linke) ins Gebet. "Herr Görke, wenn Sie Abgeordneter wären, hätte ich Ihnen für den Zwischenruf "Das ist Euer Scheiß!" einen Ordnungsruf erteilt", sagte Stark.
Die MAZ war am Mittwoch im Landtag. Die Debatte finden Sie hier in Auszügen zum Nachlesen.
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Nach gut drei Stunden ist die Debatte zur Regierungserklärung von MP Woidke im Landtag beendet.
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Ralf Christoffers freut sich auf einen Abbau von Destruktivität. Er beendet damit seine Rede. Zum Abschlus spricht der fraktionslose Peter Vida.
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Christoffers spricht sich für einen Dialog aus: "Heute ist ein Punkt erreicht, wo man zu einem gemeinsamen politischen Diskurs zurückkommen kann", sagt er am Mittwochmittag im brandenburgischen Landtag.
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"Durch den Rückzug der Reform haben wir uns als rot-rote Koalition die Möglichkeit geschaffen, einen neuen Diskurs zu eröffnen", so die Sicht von Ralf Christoffers (Linke).
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"Die heutige Debatte macht den Anschein einer Zäsur", so Christoffers. Das sei vielleicht nicht ganz falsch.
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"Die Regierung ist bis 2019 gewählt und es ist unsere verdammte Pflicht, diesem Auftrag nachzukommen.", sagt Vogel. Es folgt nun der Abgeordneten Christoffers (Linke), der wegen einer kleinen gesundheitlichen Einschränkung den Saal verlassen hatte.
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"Häme und Spott für die gescheiterte Reform sind fehl am Platz", verteidigt Vogel die Regierung.
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Empfehlung von Axel Vogel (Die Grüne) an die SPD: "Kommen Sie bei der Braunkohle in der Realität an." Seine Parteikollegen applaudieren.
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Solange die Regierung eine Mehrheit hat und keine Neuwahl von selbst anstimmt, werden wir die Forderung nach Neuwahlen nicht unterstützen, sagt Vogel vor den Abgeordneten.
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"Auch wir konnten als Grüne unsere Unterstützung für die Reform nicht mehr aufrecht erhalten", so Axel Vogel.
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Andreas Kablitz hat sich gesetzt. Es folgt Axel Vogel der Grünen. Ralf Christoffers (Die Linke) ist noch nicht wieder im Saal. "Wer zu spät kommt..." begründet Britta Stark den Wechsel der Reihenfolge.
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"Das Vertrauen der Menschen lasse sich auch durch die freigesetzten 400 Millionen durch die gestoppte Reform nicht kaufen". so Kablitz.
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Das Plenum hat sich während der Rede von Andreas Kalbitz deutlich geleert. Die übrigen Abgeordneten schauen auf ihr Handy oder schreiben in Unterlagen. Kaum jemand scheint zuzuhören.
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Jann Jakobs und Wolfgang Blasig (beide SPD) verlassen nach Abschluss der Rede Bischoffs die Besuchertribüne. Die Aussprache wird fortgesetzt. Es folgt Andreas Kalbitz (AfD). Ingo Senftleben (CDU) ist wieder im Saal.
Von MAZonline