Konjunktur: Brandenburgs Handwerk kommt glimpflich durch Corona-Krise

Die Corona-Krise hat tiefe Spuren auf dem Ausbildungsmarkt hinterlassen. Allein im Bezirk der Handwerkskammer Potsdam in Westbrandenburg gibt es derzeit noch 800 freie Plätze – das ist mehr als jede vierte Ausbildungsstelle. „Die Perspektive im Handwerk ist super, kein Elternteil muss besorgt sein, dass ihr Kind keine Karrierechancen hätte“, sagte Kammer-Geschäftsführer Ralph Bührig am Dienstag und warb dafür, sich noch bis Ende Oktober für das aktuelle Ausbildungsjahr zu bewerben. „Hier kann man gutes Geld verdienen.“ 10 Wochen warten auf einen Termin: Insgesamt ist das Brandenburger Handwerk bisher vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen. Die staatlichen Überbrückungshilfen und das Kurzarbeitergeld konnten die gröbsten Einschläge abmildern, wie aus den herbstlichen Konjunkturumfragen für die drei Brandenburger Kammern in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) hervorgeht. 85 Prozent der 40.000 Betriebe landesweit haben ihre Belegschaft gehalten oder teilweise sogar aufgestockt. Die Auftragslage ist in vielen Bereichen gut, entsprechend lang sind die Wartezeiten. Wer einen Handwerker braucht, muss im Schnitt 10 Wochen warten. Im Bau- und Ausbaugewerbe dauert es noch länger. Konjunktur kühlt sich merklich ab: Von den Rekordergebnissen, die das Brandenburger Handwerk in den vergangenen Jahren regelmäßig erzielen konnte, ist aber keine Spur mehr. 86,7 Prozent aller Betriebe schätzen ihre Geschäftslage aktuell noch als gut oder befriedigend ein. Im Vorjahr waren dies noch 10 Prozentpunkte mehr bei 96,7 Prozent. Nicht alle Branchen sind bisher glimpflich davon gekommen. Die personenbezogene Dienstleistungen wie Friseursalons, Kosmetik- oder Fotostudios durften im Frühjahr über Wochen hinweg nicht arbeiten. Von Schulschließungen und abgesagten Veranstaltungen waren Messebauer, Tischler, Caterer, Bäcker, Fleischer und viele weitere Gewerke betroffen. Kfz-Gewerbe leidet: Für die Veranstaltungsbranche seien die Aussichten weiter trübe, so Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam und des Brandenburger Handwerkskammertags. Niemand könne sagen, wann sich das Messe- und Eventgeschäft normalisiere. Einbußen verzeichne außerdem das Kfz-Gewerbe, weil Wartungsaufträge für Dienstwagen wegbrachen und Privatkunden ihre Werkstatttermine verschoben. „Einen zweiten Lockdown würde das Handwerk nicht verkraften“, sagte Wüst. „Handwerk kann man nicht vom Homeoffice aus erledigen“, sagte er. Er warnte davor, Schulen und Kitas wieder zu schließen, sonst könnten viele Handwerker ihrer Arbeit nicht nachgehen. 28 Prozent melden Umsatzrückgänge: Trotz Lockdown-Phase lag die durchschnittliche Auslastung der Betriebe im Kammerbezirk Potsdam bei 86 Prozent. 28 Prozent der befragten Unternehmen meldeten Umsatzrückgänge. Die Aussichten sind verhalten optimistisch. 85 Prozent der Betriebe im ganzen Land erwarten für das kommende Jahr bessere Geschäfte. Umsatzsteuerumstellung im Baugewerbe: Mit einiger Sorge blicken die Handwerkskammern auf das Jahresende, denn zum 31. Dezember läuft die Senkung der Mehrwertsteuer aus. Dann wird wieder der volle Steuersatz von 19 statt 16 Prozent fällig. Bauherren dürften deswegen ein großes Interesse an einer Abnahme der Arbeiten spätestens zum 31. Dezember haben, um noch von dem geringeren Steuersatz zu profitieren. „Wir befürchten, dass Betriebe deswegen unter Druck gesetzt werden“, sagte Bührig. Außerdem würden sich viele Handwerker fragen, welchen Mehrwertsteuersatz sie für Leistungen ausweisen müssen, die sich über Wochen und Monate hinziehen und den Zeitraum der Steuer-Umstellung überschreiten. Dieses praktische Problem sei von der Politik nicht hinreichend beachtet worden, so Bührig. Er sieht eine Menge Arbeit auf Rechtsanwälte und Steuerberater zukommen. Von Torsten Gellner