Kopftuchverbot ja oder nein – diese Frage wird seit Jahren heftig debattiert und flammt mit jedem Verbotsfall neu auf. Ganz aktuell macht das Luckenwalder Rathaus (Teltow-Fläming) Schlagzeilen: Dort hat die SPD-Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide einer Palästinenserin den Praktikumsplatz am ersten Tag gekündigt, weil die Asylbewerberin während der Arbeit ein Kopftuch tragen wollte. Das Tragen der Kopfbedeckung verstoße aber gegen eine „innerbetriebliche Regelung“, so die offizielle Begründung für den Rauswurf.
Ludwigsfelde: Beim Tischtennistraining wegen Kopftuchs beleidigt
Dabei hatte erst zu Beginn des Monats im Kreis Teltow-Fläming ein Kopftuch-Streit für einen Eklat gesorgt. Bei einem Tischtennis-Training in Ludwigsfelde wurde eine junge Tunesierin wegen ihres Kopftuchs kritisiert. Sie fühlt sich zutiefst beleidigt. Gerade erst war sie beim Neubürger-Empfang der Stadt begrüßt worden. Der Tischtennisclub hat sich entschuldigt. Doch die Ingenieurin für Luft- und Raumfahrttechnik verlässt Ludwigsfelde.
Berlin: Anwärterin scheitert mit Klage gegen Kopftuchverbot an Schulen
In Brandenburgs Nachbarländern ist das Tragen des Kopftuches an Schulen unterschiedlich geregelt – mal zulässig und mal verboten. Eine Lehramtsanwärterin hatte im April gegen das Kopftuchverbot an allgemeinbildenden Schulen in Berlin geklagt und war damit gescheitert. Das Berliner Arbeitsgericht erklärte das Kopftuchverbot für rechtens. Begründung: Das Berliner Neutralitätsgesetz behandle alle Religionen gleich. Die junge Frau hatte sich diskriminiert gefühlt und geltend gemacht, wegen ihres Kopftuches nicht als Grundschullehrerin eingestellt worden zu sein.
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Bayern: Kein Kopftuch für Referendarinnen im Gericht – bislang
Das Augsburger Verwaltungsgericht hat im Juni das Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen in Bayern für unzulässig erklärt. Das Gerichtsurteil hat das Potenzial, eine seit Jahren bestehende Regelung zu ändern, denn bisher dürfen muslimische Jurastudentinnen in Bayern während ihres Referendariats im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen. Zu dem Fall hatte der Bund Deutscher Verwaltungsrichter geäußert, dass Richterinnen mit Kopftuch das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz erschüttern könnten und deshalb zeige sich der Verband offen für ein Kopftuchverbot für Richterinnen. Im Mai sprach sich eine EuGH-Anwältin dafür aus, dass das Tragen eines Kopftuches am Arbeitsplatz in bestimmten Fällen untersagt werden kann. Der Vorschlag könne zur Anwendung kommen, wenn der Arbeitgeber sichtbare politische, philosophische oder religiöse Zeichen generell verbietet (Rechtssache C-157/15).
Grundsatzurteil 2015: Bundesverfassungsgericht kippt Generalverbot
Im vergangenen Jahr bezog das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klar Stellung: Es urteilte, dass der Staat muslimischen Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern nicht länger pauschal und vorsorglich verbieten darf. Künftig sollen konkrete Gründe für Verbote vorliegen. Die Grundsatzentscheidung betrifft acht Länder, in denen entsprechende Verbotsgesetze gelten. Das sind hauptsächlich süd- und westdeutsche Bundesländer sowie Berlin.
„Kopftuch-Debatte“ schwelt seit mindestens 17 Jahren
Das Gericht in Karlsruhe korrigiert mit dem 2015er Urteil sein sogenanntes Kopftuchurteil von 2003. Damals hatte es den Ländern vorsorgliche Verbote noch erlaubt. Der baden-württembergische Landtag beschloss 2004 als erstes Landesparlament ein Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen. Der Streit ums Kopftuchtragen schwelt mindestens seit 1999. In dem Jahr hatte eine muslimische Lehrerin in Baden-Württemberg auf dem Kopftuchtragen beharrt, woraufhin sie ihr Arbeitgeber aus dem Dienst entließ.
Von MAZonline