Landtag in Potsdam: Könnte die AfD in Brandenburg nach der Landtagswahl den Landtagspräsidenten stellen?

In Brandenburg stellt die SPD seit 30 Jahren nicht nur ununterbrochen den Regierungschef, sondern auch den Präsidenten des Landtags. Es ist guter guter parlamentarischer Brauch, dass die stärkste Fraktion diesen Posten besetzen kann, den seit 2015 die Abgeordnete Britta Stark ausübt. Ein Landtagspräsident vertritt nicht nur das Parlament nach außen und leitet die Plenardebatten, er ist zugleich der höchste Repräsentant des Landes. Weil die AfD in Umfragen ganz oben mitmischt und womöglich bei der Landtagswahl am 1. September stärksten Kraft im Land wird, könnte sie danach den Anspruch auf die Präsidentschaft erheben. Aber hat sie überhaupt eine Chance, dafür eine Mehrheit zu bekommen? Was die Regierungsbildung angeht, haben alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen. Im Landtag halten sich die Parteien weitgehend bedeckt, inwieweit ein AfD-Abgeordneter Präsident werden könnte. Abgeordnete von SPD und Linken haben vereinzelt ausgeschlossen, einen Präsidenten zu wählen, den die Rechtspopulisten vorschlagen. Verfassungsänderung im Jahr 2015: Das „Vorschlagsrecht“ hat laut Landesverfassung die stärkste Fraktion. Dafür war 2015 eigens der Artikel 69, Absatz 1 geändert worden. Er stellt im Vergleich zur Regelung davor klar, dass die Fraktionen entsprechend ihrer Stärke in der Reihenfolge den Präsidenten und die beiden Vizepräsidenten vorschlagen können. Die Intention damals war es auch, dass damit in jedem Fall der Opposition einer dieser drei Posten zusteht. Dass sich die Parteienlandschaft einmal so zersplittern würde, damit hatten die Initiatoren der SPD nicht gerechnet. Steht der AfD also der Posten also zu? Der frühere Präsident des Verfassungsgerichts Jes Möller (57) hält dies für eine „interessante rechtliche Frage“, die sich stelle, wenn die AfD stärkste Kraft würde. Möller sagt, das Vorschlagsrecht sei nicht gleichzusetzen mit einem Benennungsrecht. „Wenn man gewollt hätte, dass die stärkste Fraktion den Präsidenten stellt, hätte man das ohne weiteres in die Verfassung schreiben können.“ Das sei aber nicht erfolgt. Aus Sicht von Möller, der derzeit das Sozialgericht in Neuruppin leitet, würde in dem Moment, in dem die stärkste Fraktion einen Kandidaten vorschlägt, das Vorschlagsrecht wahrgenommen – unabhängig, ob dieser Bewerber auch gewählt wird. Die größte Fraktion müsste also versuchen, eine Mehrheit zu finden. Auch eine schnelle Abwahl ist möglich: Entscheidend sei, dass sich der Kandidat auf eine breite Mehrheit im Landtag stützen kann. Eine Pflicht zur Wahl des von der größten Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten mache keinen Sinn, wenn die Person gleich wieder abgewählt werden kann, so Möller. Dies lässt die Verfassung ausdrücklich zu, dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. „Insoweit ist das Vorschlagsrecht darauf ausgelegt, dass der Landtag schnell arbeitsfähig wird .“ Möller interpretiert die Verfassung so, dass sie die stärkste Fraktion dazu drängt, eine Person zu finden, die auch für die anderen Fraktionen akzeptabel ist. Der Kandidat sollte sich in allen Fraktionen vorstellen können. Sollte die Wahl nicht gelingen, könne die stärkste Fraktion sicher einen zweiten Kandidaten präsentieren. „Aber irgendwann hat der Landtag auch die Pflicht, einen Präsidenten zu wählen.“ Posten kann nicht unbesetzt bleiben: Die Verfassung sehe ausdrücklich vor, dass dies in der ersten Sitzung geschehe. Der Posten könne nicht unbesetzt bleiben, der Landtag müsse arbeitsfähig werden. Aus Möllers Sicht ist es rechtlich dann zulässig, dass auch Bewerber anderer Fraktionen zur Wahl stehen. Wen im Falle eines Wahlsiegs die AfD vorschlagen würde, ist offen. Der Vorsitzende Andreas Kalbitz gehört zum nationalistisch-völkischen „Flügel“ um Björn Höcke. Möller sagte, die Verfassung sehe vor, dass sich der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegengestellt werden muss. In diesem Sinne müsse auch der Präsident des Landtags wirken. Große Teile der Brandenburger seien gegen die der Verbreitung solchen Gedankenguts, so der Jurist und frühere SPD-Bürgerrechtler. Möller weiter: „Wenn klar ist, dass womöglich ein Totengräber der Demokratie zur Wahl steht, muss man ihm nicht noch den Spaten in die Hand geben.“ Lesen Sie dazu auch: MAZ-Umfrage vom 9. August sieht die AfD knapp vorne Politbarometer vom 23. August: Woidke und die SPD holen auf So lief das MAZ-Wahlforum mit allen Spitzenkandidaten Von Igor Göldner

Landtag in Potsdam - Kommt der Präsident künftig aus den Reihen der AfD?