Kapitalverbrechen dieser Qualität aufzuarbeiten, ist nichts Alltägliches. In keinem Gerichtssaal der Welt, schon gar nicht in Brandenburg. Der gewaltsame, in den Einzelheiten grauenhafte Tod von Elias und Mohamed hat deutschlandweit die Öffentlichkeit aufgerüttelt. Die Schicksale haben berührt, die der wehrlosen Opfer, die ihr Leben noch vor sich hatten, die der verzweifelten Hinterbliebenen, die jeden Glauben an das Gute im Menschen verloren haben müssen. An der Schuld des Wachmanns Silvio S. bestand für Beobachter von Anfang an kein Zweifel: Der 33-Jährige hat zwei Kinder entführt, missbraucht und ihnen das Leben genommen. Doch anders als die Öffentlichkeit darf ein Gericht kein vorschnelles Urteil fällen.
Für die 1. Strafkammer des Landgerichts Potsdam war es die Herausforderung schlechthin: einen Prozess zu führen, dessen Ausgang schon vor Beginn festzustehen schien. Was sonst als die Höchststrafe kommt infrage für einen, der seinen Sexualtrieb an Kindern stillt, der kaltblütig tötet und danach seelenruhig zur Arbeit geht? Zwölf Verhandlungstage mussten reichen, um die Taten genauestens zu rekonstruieren und die Gedankenwelt des Silvio S. zu ergründen. Das Gericht hatte sich diesen Zeitrahmen selbst gesteckt. Ein ehrgeiziges Vorhaben, auch wenn die Beweislage erdrückend war. Am Ende hat die Zeit für die Hauptverhandlung gereicht.
Das lag auch an der umsichtigen Prozessführung Theodor Horstkötters. Der Vorsitzende Richter gab den umsichtigen wie unermüdlichen Aufklärer, den auch die schrecklichsten Momente der Beweisaufnahme nicht beirren konnten. Er strahlte eine Ruhe aus, die ihn so leise sprechen ließ, dass man selbst bei eingeschaltetem Mikrofon mitunter Probleme hatte, seine Worte vollständig nachzuvollziehen. Seiner Autorität tat das keinen Abbruch – im Gegenteil. Während die Details der Morde die Öffentlichkeit erschauderten, behielt der Richter einen kühlen Kopf.
Im Vorfeld der Verhandlung hatten die Ermittler in akribischer Detailarbeit eine Vielzahl an Beweisen zusammengetragen. Im Prozess selbst ließ Staatsanwalt Peter Petersen keine Gelegenheit aus, den Angeklagten doch noch zum Reden zu bringen. Dass sich Silvio S. vor Gericht letztlich nicht zu den Taten eingelassen hat, muss alle Beobachter mit einer inneren Unruhe zurücklassen. Wie genau kam Elias zu Tode? Was sind das für unbekannte DNA-Spuren, welche die Ermittler bei dem Angeklagten gefunden haben? Gibt es weitere Opfer? Diese Fragen kann allein Silvio S. beantworten.
Die Kammer hat ein angemessenes Urteil gesprochen. Für die Öffentlichkeit ist der Fall vorerst abgeschlossen. Für die Hinterbliebenen aber werden das Leid und die Trauer um die gewaltsam verlorenen Söhne womöglich nie ein Ende nehmen.
Von Bastian Pauly