Wie die MAZ-Volontäre auf die Deutsche Einheit blicken

Die MAZ-Volontäre, geboren zwischen 1988 und 1998, sind im vereinten Deutschland aufgewachsen. Die DDR haben sie selbst nicht mehr erlebt. Wie schaut ihre Generation heute auf Deutschland? Spielt die Herkunft – Ost oder West – unter Gleichaltrigen überhaupt noch eine Rolle? Wie wird über das Thema in den Familien gesprochen? Und was müsste sich vielleicht auch ändern? Ein Gespräch kurz vor dem 30. Jahrestag der Wiedervereinigung. Ihr seid alle drei in einem vereinten Deutschland aufgewachsen. Ostdeutschland, Westdeutschland – spielt das in Eurem Leben noch eine Rolle? Apel: Ich dachte immer, für mich sei das kein Thema mehr. Bis ich vom Westen in den Osten gezogen bin. Erst hier habe ich gemerkt, dass es immer noch Unterschiede gibt und dass ich anders wahrgenommen werde, weil ich aus dem Westen komme. Todtmann: Ich habe das ganz ähnlich erlebt. Als ich in Westdeutschland gelebt habe, hatte ich nie oder nur selten das Gefühl, als Ostdeutscher wahrgenommen zu werden. Seitdem ich zurück bin, merke ich, dass die Frage Ost oder West hier eine viel größere Rolle spielt. Das sehe ich auch in meiner eigenen Familie: Mein Stiefvater kommt aus Hamburg und ist immer noch der „Wessi“. Das ist zwar mit einem Augenzwinkern gemeint, zeigt aber, wie aktuell das Thema in den Köpfen hier immer noch ist. Pfeiffer: Für mich persönlich hat das kaum noch eine Bedeutung. Wenn ich morgens aufstehe, würde ich nicht sagen, dass ich in Ostdeutschland aufstehe, sondern in Deutschland. Ich sehe aber an der Generation meiner Eltern, dass sie heute noch vieles mit dem Leben in der DDR vergleichen. Seien es Preise, Reisen oder generell die vielen Möglichkeiten, die wir heute haben. Marcus J. Pfeiffer kam 1998 in Pritzwalk zur Welt. Bis 2019 lebte er in seiner Heimatstadt Perleberg in der Prignitz. Seit 2019 ist er als MAZ-Volontär in ganz Brandenburg unterwegs. Johanna Apel wurde 1991 in Gießen geboren. In Kleve und Magdeburg studierte sie Politikwissenschaft mit Stationen in Haifa und New York. Seit 2019 ist sie Volontärin bei der MAZ und lebt in Potsdam. Feliks Todtmann, Jahrgang 1988, ist in Ost-Berlin geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur zog es ihn zum Geschichtsstudium nach Kiel und Thessaloniki. Für das Volontariat bei der MAZ kam er 2019 nach Potsdam. Wird bei Euch in der Familie viel über die Geschichte der deutschen Teilung gesprochen? Pfeiffer: Ja, Mein Vater war in der DDR bei den Grenztruppen stationiert und ist nur deshalb überhaupt in die Prignitz gezogen. Als die Mauer fiel, brach für viele Grenzer eine Welt zusammen. Auf einmal war ihr Land weg. Das hat ihn stark geprägt. Ich denke, dass viele aus der Generation unserer Eltern bis heute das Gefühl haben, dass sie nicht mehr in „ihrem“ Land leben, sondern in einem fremden Land. Todtmann: Auf jeden Fall. Ich würde sagen, dass ich ein sehr differenziertes DDR-Bild von zu Hause mitbekommen habe, auch wenn ich eher aus einer „linientreuen“ Familie komme. Einige meiner Verwandten waren selbst in der Partei. Trotzdem wurde das Leben im Osten bei uns nie glorifiziert und ich glaube auch, dass der Großteil heute froh ist, in der Bundesrepublik zu leben. Apel: Eher weniger. Dafür spreche ich bei meiner täglichen Arbeit oft über das Thema. Ich war anfangs überrascht, wie weit die Meinungen dabei auseinandergehen. Manche Leute preisen die DDR als ein untergegangenes Paradies, andere zeichnen das Bild eines autoritären Schreckensstaates. Für die allermeisten war sie irgendetwas dazwischen. Das ist oft sehr subjektiv. Für uns Jüngere ist es oft schwierig, das einzuordnen. Ihr seid alle drei als Journalisten in Brandenburg unterwegs. Was glaubt ihr, wie aktuell ist das Thema Wiedervereinigung bei den Menschen im Land noch? Todtmann: Auch das hängt davon ab, mit wem man spricht. Es gibt Menschen, die bewegt die Geschichte nach wie vor. Manche tragen tief verwurzelte Traumata in sich. Andere, vor allem Jüngere, meinen, ihr heutiges Leben hätte mit der DDR nichts zu tun hat. Das halte ich für falsch. Auf der persönlichen Erlebnisebene mag das stimmen, strukturell bestimmt das historische Erbe der Teilung und der Wiedervereinigung unser Leben in vielen Bereichen bis heute. Apel: Das stimmt, auch unsere Generation ist von der Wende geprägt, sei es durch die Arbeitslosigkeit der Eltern oder weil sie selbst nicht wussten, wie es weitergeht. So eine instabile Situation prägt Kinder, wenn auch möglicherweise unbewusst. Eine Unsicherheit, die sich vererbt, auch wenn der Bruch nicht in der eigenen Generation war. Wenn es um die deutsche Einheit geht, geht es immer auch um die Frage der unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse in Ost und West. Sind diese Debatten für Euch noch aktuell? Pfeiffer: Auf jeden Fall. Ich komme ja aus der Prignitz, einer eher strukturschwachen Region, und erlebe, wie viele junge Menschen ihre Heimat verlassen, sei es wegen der Ausbildung oder der Arbeit. Unterschiede gibt es außerdem ja nicht nur in der Entlohnung, sondern auch in der Infrastruktur. Todtmann: Ich nehme den Unterschied gerade in ökonomischer Hinsicht sehr stark wahr. Ehrlich gesagt, kann ich es nicht verstehen, wie es zum Beispiel in der Entlohnung überhaupt noch einen Ost-West-Unterschied geben kann. Zumal wir hier in Potsdam leben, einer der teuersten Städte bundesweit, und trotzdem weniger Geld verdienen als unsere West-Kollegen. Was müsste sich denn ändern, damit dieses Gefühl der Benachteiligung verschwindet? Apel: Es müsste wirklich so sein, dass gleiche Arbeit auch gleich bezahlt wird. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Andererseits habe ich oft das Gefühl, dass Debatten über Benachteiligung von Ostdeutschen nach wie vor von Westdeutschen geprägt sind. Man feiert sich für das, was man geschafft hat, und bekennt, dass noch viel zu tun ist. Dabei geht allerdings unter, welche Lebensleistung der Ostdeutschen dahintersteckt, was geschaffen wurde und vielleicht zu Bruch gegangen ist. Die Einheit war eben nicht nur eine deutsche Erfolgsgeschichte. Dafür sollte es mehr Verständnis im Westen geben. Die Fragen stellte Henry Lohmar Von Johanna Apel, Marcus J. Pfeiffer und Feliks Todtmann