ABC-Pflaster gegen Rechtschreibschwäche: Stephan Bodens Corona-Tagebuch

Samstag, 25. April 2020: Schlechtes Timing von mir. Ich musste heute, auf einem Samstag, einkaufen gehen. Im Moment auf einem Samstag einkaufen zu gehen, halte ich für keine gute Idee. Die Läden sind ja bereits unter der Woche meistens brechend voll. Aber ich hatte vor dem Besuch des Lebensmittelmarkts zwei Hoffnungen: 1. Die Leute sind sicher in der Stadt und kaufen Klamotten, Handyzubehör oder anderes Zeugs. 2. Da ab Montag Maskenpflicht herrscht, werden schon heute die allermeistens solche Dinger vor Mund und Nase haben. Um es vorwegzunehmen: Beiden Hoffnungen waren falsch. Ich würde mal schätzen, ich gehörte mit meiner FFP2-Maske vielleicht einer Gruppe von fünf Prozent Besuchern an, die etwas vorm Mund hatten. Alle anderen waren wie immer. Und der Markt war pickepackevoll. Eine Frau hatte eine Maske um, aber weil sie sich mit ihrer Bekannten laut unterhalten wollte, trug sie sie um den Hals. Vielleicht hat sie ja nur Angst vor einer Mandelentzündung oder so was. Viele Menschen agieren noch immer, als sei nichts. Abstand? Ach was. In die Armbeuge niesen? Nee, lieber in die Hand oder in die Luft. Nachdem ich in Windeseile die benötigten Lebensmittel im von mir vorher desinfizierten Einkaufswagen gesammelt hatte, kam ich an den Lesebrillen vorbei. Verkäuferin hält 20 Zentimeter Abstand ein: In den letzten Tagen habe ich beim Refit unserer Bootes einige meiner Brillen versenkt, weil ich ständig irgendwelches Harz oder Farbe an den Fingern hatte. Also wollte ich Nachschub besorgen. Es gab dort mehrere Modelle. Da mit fortschreitendem Alter auch die Dioptrien-Zahl in die Höhe schnellt, probiere ich vorm Kauf erst immer verschiedene Stärken auf. Die Brillen, die in die nähere Auswahl komme, hänge ich dann immer gesondert hin. Aber ich hatte dabei nicht mit einer überaus eifrigen Verkäuferin gerechnet, die wie ein kleines Frettchen aus dem Nichts hinter mir auftauchte, mir emsig über die Schulter griff, meine Auswahl nahm und mich belehrte, ich solle die Brillen doch wieder auf den Platz hängen. Abstand ihres sehr verärgerten Gesichts während der sehr intensiven Belehrung: etwa 20 Zentimeter. Drollig an der ganzen Szene war das Audio im Hintergrund, denn unterstützend zu all den Schildern im Eingang wurde just in dem Moment der Belehrung eine Ansage abgespielt, in der die Besucher gebeten werden, doch bitte, bitte mindestens zwei Meter Abstand zu halten. Duldungsstarre: Ich hob meinen Zeigefinger, um ihre Aufmerksamkeit auf die Ansage zu lenken. Aber die Dame hatte sich festgebissen. Also verharrte ich die halbe Minute so, wie man das bei Tieren „Duldungsstarre“ nennt. Ich verließ den Laden übrigens ohne Brille. Draußen im Auto warteten Frau Anja und Hund Günther auf mich. Nach dem Einkauf saß ich erst einmal durchschnaufend eine Weile im Wagen und dabei beobachteten wir die Station, in der die Einkaufswagen stehen. Dieser Ort ist gerade sehr aufschlussreich, wenn man sich ein Bild vom Verhalten der Menschen in der Corona-Krise machen will. Mundschutz und Kippe: Bei Menschen wie uns, die dieses Virus sehr ernst nehmen, kann es dabei vor lauter Kopfschütteln zu einem Schleudertrauma führen. Besonders angetan hatte es uns eine ältere Dame, die bis zur Rückgabe des Wägelchens einen Mundschutz trug, den Wagen mit bloßen Händen abstellte, die Maske mit den blanken Fingern vorn abnahm und sich daraufhin erst einmal genüsslich ein Kippchen ansteckte. In solchen Situationen fällt mir immer nur ein Ausdruck ein, und der lautet: „Herrje“. Sonntag, 26. April 2020: Heute machen wir mal Coronapause. Wir fahren später nämlich an die Elbe. Günther als Hamburger Jung und ich als Ex-Hamburger-Jung mögen die Elbe sehr, auch wenn sie hier unten weiter im Süden noch sehr winzig erscheint, wenn man es mit der Elbe vergleicht, die ich aus Hamburg und nördlich davon kenne. Corona kann uns heute mal. Lediglich morgens zum Kaffee habe ich kurz Twitter angeworfen, um ein wenig zu lesen. Dort sind mir zwei Typen aufgefallen. Der Erste hat eine lustige Frisur und immer viel Puder im Gesicht. WD 40 gegen Arthrose: Den Zweiten habe ich mal vor langer Zeit persönlich kennengelernt. Er hatte sogar meinen Hund auf seinem Arm, was ich heute nicht mehr erlauben würde. Typ Nummer eins ist König von Amerika und heißt Donald Trump. Der hatte die glorreiche Idee, Menschen gegen das Virus doch vielleicht Desinfektions- oder Bleichmittel zu injizieren. Trump ist ein Wunderheiler! Wenn man seine Ideen mal weiterspinnt, kann man drauf kommen, gegen Arthrose WD 40 zu schlucken, gegen Legasthenie ABC-Pflaster zu essen und sich bei üblen Verspannungen mit Weichspüler einzureiben. Wer nun denkt, dass die Amerikaner Trump wegen seiner ständig wirklich dümmlichen Tweets nicht mehr lieb haben, der irrt. Unter seinen hanebüchenen Nachrichten wimmelt es von Kommentaren wie „Best President ever!“ - und das ist durchaus ernst gemeint. Der König aller Verschwörungstheoretiker: Typ Nummer zwei wusste schon vor Jahren, dass sein Weg kein leichter sein wird. Seitdem fällt er mit Aussagen auf, die darauf schließen lassen, dass man nicht alles rauchen sollte, was zu Hause so rum liegt. Er heißt Xavier Naidoo und ist so etwas wie der König aller Verschwörungstheoretiker. Naidoo fällt seit längerer Zeit durch sehr wirre Videobotschaften auf. In seiner neuesten Theorie zweifelt er an, dass es dieses Corona-Virus überhaupt gibt. In diesem Falle müsste es eine Erfindung sein. (Herrje!) Daraufhin habe ich recherchiert, was der gute Mann sonst so von sich gibt und bin zu einem kühnen Schluss gekommen: Xavier Naidoo gibt es gar nicht. Der muss eine Erfindung sein. 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