Die aktuellste Neuigkeit auf der Internetseite des Brandenburger Unternehmens BIP Industrietechnik ist der Glückwunsch an die chinesischen Geschäftspartner zum dortigen Neujahrsfest. Dabei ist eine andere Neuigkeit viel wichtiger.
Die seit mehr als 25 Jahren bestehende Firma hat am 15. Februar vor einigen Tagen Insolvenz angemeldet. Etwa 50 Mitarbeiter erhalten rückwirkend Insolvenzgeld. Der vorläufige Insolvenzverwalter Sebastian Laboga führt den Geschäftsbetrieb fort.
Mit dem Namen BIP Industrietechnik waren in der Vergangenheit nur gute Nachrichten verbunden. Das international aufgestellte Technologie-Unternehmen mit Sitz im Gewerbegebiet Elisabethenhof erhielt 2012 den Zukunftspreis, wurde zwei Jahre später zum „Top Innovator 2014“ gekürt und war im vergangenen Jahr nominiert für die Auszeichnung „Supplier Innovation Award“.
Zur Feier des 25-jährigen Bestehens vor gut zwei Jahren lobte Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer (SPD) den Brandenburger Industriebetrieb „kleinen Leuchtturm“.
1991 hatte Wilfried Pieper (61) mit zwei Partnern das Ingenieurbüro für Maschinenbau gegründet, aus dem fünf Jahre später die BIP-Industrietechnik GmbH mit zunächst 25 Mitarbeitern hervorging. In den folgenden Jahren wurden die Spezialmaschinen für die Instandhaltung von Eisenbahnradsätzen entwickelt und auf dem deutschen Markt platziert.
Exportquote von 75 Prozent
Seit 2007 wird die Technologie verstärkt ins Ausland exportiert – die Exportquote lag bei 75 Prozent. Das auf Mess- und Instandhaltungstechnik sowie auf Automatisierungstechnik spezialisierte Unternehmen baute an und vergrößerte sich. Gut 50 Menschen beschäftigt die Firma, darunter etwa 25 Ingenieure.
Das seit 2013 entwickelte und patentierte Verfahren der ökologischen Trockenentfettung war auf dem Weg, ein innovativer Wachstumszweig werden. Um das Geschäftsfeld voranzutreiben und „die in Spitzenzeiten fallweise benötigte zusätzliche Liquidität abzudecken“, startete das Brandenburger Unternehmen am 5. Juni 2018 ein sogenanntes Crowdinvesting-Projekt bei der ökologisch-sozial orientierten GLS-Bank.
Risikokapital von mehr als 300 Anlegern
Auf diese Weise verschafften sich die Brandenburger 750.000 Euro auf einen Schlag. Nach Angaben von GLS-Bank-Sprecher Christof Lützel haben 302 Anleger ihr Risikokapital in die Geschäftsidee der BIP gesteckt, durchschnittlich also 2483 Euro pro Anleger. Bei einer Laufzeit von fünf Jahren sollte die Geldanlage mit 6,5 Prozent pro Jahr verzinst.
Auf das hohe Risiko des Investments hatte die Bank ausdrücklich hingewiesen. Sie schrieb: „Das Geschäft der BIP-Industrietechnik GmbH entwickelt sich sehr erfreulich, ist aber Schwankungen unterworfen wie sie im Projektgeschäft typischerweise vorkommen. Von der Anzahlung bis zur Auslieferung der Maschinen und der nachfolgenden Abschlusszahlung kann viel Zeit vergehen.“
Als Mittelständler breit aufgestellt
Der Erwerb der Vermögensanlage sei mit erheblichen Risiken verbunden und könne dazu führen, dass das eingesetzte Vermögen vollständig verloren geht.
Die Anleger vertrauten gleichwohl auf den „breit aufgestellten Mittelständler aus Brandenburg/Havel mit langjährigen Kundenkontakten, dem umfangreichen Know-how unter den Ingenieuren, dem dynamisches Wachstum in der Vergangenheit und dem jungen Team“, dessen Durchschnittsalter bei etwa 38 Jahren liegt.
Wenn die Insolvenz eröffnet wird, werden die 302 Investoren voraussichtlich zu den Gläubigern gehören, die sich an den Verwalter aus Berlin wenden müssen.
Zur Stunde führt Sebastian Laboga als vorläufiger Insolvenzverwalter die Geschäfte in vollem Umfang fort, wie es heißt. Firmengründer Wilfried Pieper ist in die Geschäftstätigkeit eingebunden.
Löhne und Gehälter bis Ende März gesichert
„Die Löhne und Gehälter der rund 50 Mitarbeiter sind über das Insolvenzgeld bis Ende März gesichert“, teilt Sebastian Glaser im Auftrag Lagodas mit. Der vorläufige Insolvenzverwalter sichere das Vermögen und lote die „Wege für eine mögliche Sanierung“ aus.
Zur Höhe der Verbindlichkeiten lässt sich Glaser zufolge im vorläufigen Insolvenzverfahren noch nicht sagen. Forderungen könnten erst nach der Verfahrenseröffnung voraussichtlich Anfang April angemeldet werden.
Nach dem ersten Eindruck des Verwalters haben Auftragsrückgänge eine wesentliche Rolle für die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens gespielt. Das erwähnte Crowdinvesting-Projekt sei eine von mehreren Finanzierungsmöglichkeiten gewesen, mit denen sich das Unternehmen seine Liquidität erhalten wollte.
Von Jürgen Lauterbach