Brandenburg/Havel: die gefährlichste ungefährliche Stelle für Radfahrer

Es gibt eine Stelle in der Innenstadt von Brandenburg/Havel, an der kaum ein Autofahrer auf die Vorfahrt achtet. Dennoch passiert dort so gut wie nie ein Verkehrsunfall. Gemeint ist die Einmündung der Großen Gartenstraße in die Jacobstraße. Nur wenige Verkehrsmittel dürfen die Große Gartenstraße im letzten Abschnitt vor der Einmündung in die Jacobstraße befahren: Straßenbahnen, Busse und Fahrräder. Während Straßenbahnen und Busse so gut wie nie Probleme damit haben, dass die von links kommenden Autofahrer die Vorfahrt anerkennen und gewähren, werden Fahrradfahrer regelmäßig ausgebremst. Wer mit dem Auto auf der Jacobstraße in Richtung Steintorturm unterwegs ist, achtet nur allzu selten auf die Rechts-vor-links-Vorfahrt, die auch in Bezug auf Radfahrer gilt. Obwohl ein Schild direkt vor der Einmündung auf diese Vorfahrtsregelung hinweist. Oft genug habe ich es ausprobiert und bin mit dem Fahrrad in angemessen forschem Tempo auf die Jacobstraße zugesteuert, um nach rechts in Richtung Steinstraße einzubiegen. Hupe statt Bremse: In geschätzt neun von zehn Fällen hält keines der von links kommenden Autos an. In geschätzt fünf von zehn Fällen drücken die Autofahrer auf die Hupe statt auf die Bremse, um dem Radfahrer Einhalt zu gebieten, dem man die Vorfahrt an dieser Stelle einfach nicht zutraut. „Die Vorfahrt ist hier eindeutig durch das Verkehrszeichen ,Kreuzung oder Einmündung mit Vorfahrt von rechts’ geregelt, teilt die Brandenburger Straßenverkehrsbehörde mit. Wer also aus Richtung Zentrumsring kommt und in Richtung Steinstraße fährt, müsse dem Verkehr – Bussen, Straßenbahnen, Radfahrern – aus der Großen Gartenstraße die Vorfahrt gewähren. „Von 2015 bis Mai 2020 gab es in diesem Bereich laut Straßenverkehrsbehörde zwar insgesamt fünf Verkehrsunfälle. Doch keiner davon war ein Vorfahrtsunfall. Niemand beschwert sich: Ein Radfahrer, so heißt es, sei in den Schienen zu Sturz gekommen. Ein anderer Radfahrer sei an der Ausfahrt vom Penny-Parkplatz mit einem Auto zusammengestoßen. Die anderen drei Fälle waren Auffahrunfälle mit Beteiligung zweier Autofahrer. „Weder der Straßenverkehrsbehörde noch der Polizei ist bekannt, dass dort regelmäßig die Vorfahrt der Radfahrer von rechts missachtet wird“, heißt es. Auch gebe es dazu keine Hinweise oder Beschwerden aus der Bevölkerung. „Unfallunauffällig“: Die Behörden betrachten die Einmündung insgesamt als „unfallunauffällig“. Vielleicht liegt das daran, dass Radfahrer aus Erfahrung vorhersehen, wie Autofahrer sich verhalten, und daher lieber bremsen – der eigenen Gesundheit zuliebe. Nach meiner Erfahrung ist die genannte Einmündung für Radfahrer die gefährlichste ungefährliche Stelle in der Stadt. Wer’s nicht glaubt, kann die Probe aufs Exempel machen. Aber nur mit ganz viel Vorsicht. Von Jürgen Lauterbach