Corona sorgt für veränderte Trauerkultur bei Beerdigungen in Brandenburg an der Havel

„Seit März dieses Jahres ist eine absolute Veränderung zu spüren“, sagt Andreas Dieckmann über Beerdigungen in Corona-Zeiten. Der Bestattermeister ist geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Bestattungsinstitutes mit Geschäftsstellen in Brandenburg Havel, Groß Kreutz, Kloster Lehnin sowie Ziesar. Er ist außerdem stellvertretender Obermeister der Bestatterinnung von Berlin und Brandenburg sowie Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes Kuratorium Deutsche Bestattungskultur. Aus all diesen Funktionen heraus bedauert Andreas Dieckmann den durch die Corona-Krise bedingten Wandel in der Bestattungskultur. Denn er merkt: „Es sind Veränderungen, mit denen die Menschen zu kämpfen haben.“ Die Familie isoliert sich stärker: Kleinere Personenkreise bei den Beerdigungen, Kapellen, die auf Grund der Abstandsregelungen nicht mehr vollumfänglich besetzt werden können, Maskenpflicht innen und außen sowie Ansteckungs-Ängste – all das hat Auswirkungen. „Trauer wird in diesen Zeiten eingeschränkt gelebt“, sagt Dieckmann dazu. „Teilweise kommen Menschen gar nicht zur Trauerfeier“, wird er konkreter. Sogar wenn es der Raum hergebe. Weil sie sich selbst schützen wollen oder, weil die Familie des Verstorbenen es ausdrücklich so wünscht, dass die Zahl der Kondolierenden klein gehalten wird. „Der Familienkreis wird eher wie früher definiert. Die Menschen setzen sich selbst unter eine Käseglocke“, stellt Dieckmann fest. Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen würden ausgegrenzt – die Nachwelt trauert isolierter.„Trauerpsychologisch ist das nicht gut“, ist dem Bestattermeister bewusst. „Das gemeinsame Durchleben ist wichtig: gemeinsam traurig sein, aber auch gemeinsam lustig sein.“ Wer kann dabei sein? Was in seinem Beruf zusätzlich Sorgen bereitet, sind zum Beispiel die eingeschränkten Beratungsgespräche zur Planung der Beerdigung. Auch wenn die Bestatter den gewohnten Service weiterhin anbieten, können sie teilweise nur mit zwei bis drei Angehörigen vor Ort sprechen. „Wir bemühen uns um größere Räume, wo es geht“, sagt Andreas Dieckmann. Aber manchmal steht dennoch die Frage an: „Welches von den sechs Kindern des Verstorbenen kommt dazu?“. Dem Bestatter ist klar: „Es ist ein persönlicher Akt, da wollen alle dabei sein.“ Die gleiche Schwierigkeit beklagt er für die Beerdigung an sich und den eingeschränkten Platz in der Kapelle. „Kinder rein, Schwiegerkinder raus? Wie macht man es?“, fragt Andreas Dieckmann. Eine Entscheidung, die Familien heute treffen müssen. Die Bestatter versuchen weiterhin, einen möglichst großen Personenkreis einzubeziehen. Mit Lautsprechern werden die Trauerreden nach außen übertragen, im Sommer sind die Trauerfeiern zudem gezielt draußen abgehalten worden. Das fällt jedoch in der kälteren Jahreszeit wieder weg. Bestattungen kühlen menschlich ab: Ebenso problematisch wie die beschränkte Personenanzahl schätzt Dieckmann die Art ein, wie die Beileidsbekundungen stattfinden. „Umarmungen und Händeschütteln fallen weg“, erzählt er. Manche Familien äußerten sogar vorab ausdrücklich den Wunsch, von Beileidsbekundungen am Grab Abstand zu nehmen, diese nur auf das Kondolenzbuch zu beschränken. „Das geht in eine Richtung, wo eine Bestattung menschlich abkühlt“, sagt der Fachmann. Die Bestatter wollen darauf ebenfalls angemessen reagieren und andere Wege für Beileidsbekundungen schaffen. „Wir setzen immer mehr auf das Onlinetrauern“, erzählt Andreas Dieckmann. Etliche Institute – so auch Dieckmann – richten Gedenkportale auf ihren Internetseiten ein. „Das ist eine Plattform, auf der Leute miteinander kommunizieren, ihre Anteilnahme ausdrücken können.“ Ein Angebot, das zu funktionieren scheint und wenigstens einen kleinen Ausgleich schafft. „Das wird angenommen. Viele sind ganz offen“, stellt der Bestattermeister dazu fest. Von Antje Preuschoff