Die meisten der bisher 868 Einsätze des Brandenburger Rettungshubschraubers gelten internistischen Notfällen

Von Jahresbeginn bis zum 17. August ist der Rettungshubschrauber Christoph 35 von Brandenburg aus zu 868 Einsätzen geflogen. Das entspricht nach Angaben von Martin Hochstatter, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes, in etwa der Zahl der Vorjahre mit 1333 Einsätzen 2018 und 1335 im Jahr 2019. Einen Einbruch gab es nur in der Hochzeit von Corona im Frühjahr mit rund zehn Prozent weniger Einsätzen, weil die Menschen aus Angst, sich im Krankenhaus mit Covid-19 zu infizieren, seltener den Notruf wählten. Davor warnt der Anästhesist und Intensivmediziner eindringlich. Die häufigsten Notfälle: „Nur rund 15 Prozent der Flüge gelten der Erstversorgung von Unfallopfern“,berichtet Hochstatter. Die allermeisten Einsätze, nämlich 85 Prozent, dienen der medizinischen Rettung nach Schlaganfällen oder Herzkreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt. Damit räumt Hochstatter auf mit einem verbreiteten Irrtum: „Der Laie denkt, da fliegt der Hubschrauber, da ist in Unfall passiert. Aber die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass es ein Herzinfarkt ist.“ 2019 gab es im Rettungsdienstbereich Brandenburg 12.218 Einsätze. Das waren 159 mehr als 2018 und 452 mehr als 2017. Damit bleibt der Trend steigender Gesamteinsatzzahlen. 3538 Mal rückte der Notarztwagen mit aus. Der Rettungshubschrauber, der binnen zwei Minuten nach seiner Alarmierung in der Luft sein muss, stieg 1335 mal auf in 2019. Das sind im Schnitt drei Einsätze am Tag. Hochstatter erlebte aber auch schon 15 Abflüge an einem Tag. 50 Menschen gehören zum Team: 30 Notärzte und rund 20 Piloten sind für den Einsatz von Christoph 35 im Wechsel eingeteilt. Der Rettungshubschrauber fliegt zu Notfällen in der Stadt Brandenburg, in Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming. Es entspricht in etwa einem Radius von 70 Kilometern. Rund 60 Prozent der Menschen, zu denen das Team entsandt wird, leben in Potsdam-Mittelmark. Die übrigen 40 Prozent sind Notfälle in der Havelstadt, Teltow-Fläming und Flüge in ein anderes Einsatzgebiet, sollte dort der dafür zuständige Hubschrauber schon bei einem anderen Einsatz sein. „Die Schnelligkeit ist der Trumpf der Luftrettung“, sagt Hochstatter. Doch die Patienten selbst werden, auch wenn der Rettungshubschrauber vor Ort ist, in den allermeisten Fällen mit einem Rettungswagen zu einem Krankenhaus gebracht. Reanimierung im Hubschrauber schwierig: In der Maschine ist es eng, der Arzt kommt nur an den Oberkörper des Patienten heran. „Man kann da oben wenig machen. Im Hubschrauber zu reanimieren, ist sehr schwierig.“ Ist eine plötzliche Reanimierung nötig, müsse der Hubschrauber erst landen. Patienten mit einem akuten Infarkt werden daher, wenn es irgend geht, mit dem Rettungswagen transportiert. „Man muss es abwägen.“ Eingesetzt werden in den Maschinen nur Fachärzte für Anästhesie, die bereits mindestens zwei Jahre mit dem Notarztwagen mitgefahren sind. Auswahl des Zielkrankenhauses ist eine weitere Aufgabe, „bei einem Herzinfarkt muss es eine Klinik mit Herzkatheterlabor sein, weil das die einzige Therapie ist, die hilft“. Die Notärzte melden die Patienten dort direkt an über den kardiologischen Hintergrunddienst, das Herzkatheterlabor wird dann sofort hochgefahren, beziehungsweise freigemacht. So läuft ein Einsatz ab: Der Ablauf ist folgender: Ein Notruf erreicht die Leitstelle. Der Disponent am Telefon entscheidet, ist es ein Notfall, bei dem auch ein Notarzt nötig ist. Der zweite Schritt ist die Frage, wie kommt der Notarzt dort schnellstens hin, per Notarztwagen oder mit einem Hubschrauber. Zur Klärung der Frage hilft Computertechnik. „Luftrettung ist immer nur Ergänzung der Bodenrettung“, so Hochstatter. Denn nur bei Tageslicht, bei Sichtflugbedingungen, kann der Hubschrauber fliegen. „Es wird bei Dämmerung immer gefährlicher. Der Pilot landet schließlich auf einem nicht bekannten Landeplatz.“ Gefahren drohen durch Stromleitungen oder sogar Stäbe in der Wiese, die sich in den Tank bohren, „das hatten wir auch schon einmal“. Notfall meistens in Familie: Meistens sind es die näheren Angehörigen, die den Notruf wählen. Auch Kinder können ihre Eltern retten. Hochstatter berichtet von einem zwölfjährigen Mädchen aus der Stadt Brandenburg, das den Notruf wählte, als der Vater bewusstlos zusammenbrach. Allein durch die telefonische Anleitung des Disponenten aus der Leitstelle gelang es dem Kind durch Herz-Massage, seinen Vater zu reanimieren und so das Leben zu retten. Der Vater behielt keine neurologischen Schäden zurück. Hochstatter leitet den ärztlichen Rettungsdienst seit 2012. Zuvor war der gebürtige Stuttgarter bereits stellvertretender Leiter. Er ist angestellt beim Städtischen Klinikum und wird der Stadt Brandenburg für die Aufgabe des ärztlichen Rettungsdienstes zur Verfügung gestellt. Davor war der heute 55-jährige als Oberarzt auf der Intensivstation des Städtischen Klinikums tätig. Die mitfliegenden Ärzte sind meist beim Städtischen Klinikum beschäftigt. Die Piloten gehören zur Fliegerstaffel der Bundespolizei. Von Marion von Imhoff