Freude an der Musik: Archivarin findet 60 Schallplatten im Stadtmuseum

Schallplatten von Elvis, Nena, den Flippers und dem Schlossgespenst Hui Buh gehören ab sofort zum Bestand im Brandenburger Stadtmuseum. „Die Tonträger haben hier seit Anfang der 90er-Jahre in einer Kiste gelegen. Wir haben sie beim Gang durchs Haus wiederentdeckt und erfassen sie jetzt digital“, sagt Archivarin Birgit Busse. Musik als Sprache: Gemeinsam mit der Auszubildenden Anna Syring sieht sie sich die 60 Platten genauer an und schreibt Informationen zum Veröffentlichungsjahr und der Produktionsfirma in eine Excel-Tabelle. „Musik ist eine Sprache, die Generationen überdauert und jeder versteht. Und diese Vielfältigkeit sorgt immer wieder für interessante Gespräche“, sagen die Brandenburgerinnen. Sekunden später blicken Museumsleiterin Anja Grothe und Anna Syring in die Kiste mit den Platten. Der Behälter stammt aus einem privaten Haushalt in der Havelstadt. Angehörige eines verstorbenen Brandenburgers haben die Platten damals im Stadtmuseum abgegeben. Insgesamt hat das Haus aktuell mehrere hundert Schallplatten. Während die beiden Frauen „Hits aus der Flimmerkiste“, „Träumereien am Klavier“ von Pianist Richard Claydermann und eine „Musikalische Schlittenfahrt“ betrachten, erinnern sie sich an ihre Erlebnisse mit dem Sound der LPs. Slow Food für die Ohren: Für Anja Grothe ist schon das Auflegen der Schallplatte eine bewusste Entscheidung und Philosophie. „Wenn wir heute Musik auf dem Handy hören, schaltet man ganz schnell mal ein Lied weiter. Bei der Platte ist das anders, das ist quasi Slow Food für die Ohren. Hier ist schon das Knistern und Knacken besonders und geheimnisvoll. Hier bin ich eher bereit, mir alle Inhalte anzuhören“, sagt die Museumsleiterin. Schallplatte statt Musikdienst: Dann denkt sie an ihr Highlight, die Weihnachtszeit mit der Vinyl „Advent in Salzburg“. Denn die 1967 erschienene Platte hat Anja Grothe über Jahrzehnte hinweg an Heiligabend mit ihrer Schwester und den Eltern gehört. „Der Sound der Schallplatte ermöglicht musikalische Zeitreisen. Beim Hören der Lieder fühle ich mich sofort wie damals“, sagt die studierte Archäologin. Anna Syring lauscht ihren Worten und lächelt. Die 31-Jährige hört sonst eher Lieder beim Musikanbieter Spotify, doch bei ihr ist die LP „Weihnachten im Erzgebirge“ eine Familientradition. Die Brandenburgerin empfindet das „leicht verstaubte Image der Schallplatten“ als besonderen Charme. Für sie sind die ersten Tage im Stadtmuseum ein Abenteuer, sie hat im August ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Havelstadt begonnen, drei Monate davon arbeitet sie im Museumsteam. Auf der Suche nach Geschichten: Noch ist unklar, ob bei den Platten mit Musikern der 1930er bis 1980er Jahre Künstler aus der Region dabei sind, doch die Recherche geht weiter. Klar ist, die jüngste Vinyl heißt: „Let´s Dance tonight“, ist von der Sängerin Pia Zadora und 1985 erschienen. Museumsleiterin Anja Grothe denkt darüber nach, wie sie die Tonträger in Ausstellungen nutzt. „Jeder Brandenburger hat Erinnerungen an bestimmte Lieder und wir schauen einfach mal, welche Geschichten aus dem Leben dahinter stecken“, sagt die 51-Jährige. Tradition statt Geschwindigkeit: Deshalb fragt das Team des Stadtmuseums in den nächsten Wochen per Facebook und Instagram, was Havelstädter beim Hören der Platten erlebt haben. Sollten LPs doppelt vorhanden sein, können Brandenburger Exemplare ergattern. 2021 kann sich Anja Grothe Themenabende mit Musik aus verschiedenen Jahrzehnten vorstellen. Anna Syring weiß jetzt schon, dass sie die Platten auch dieses Jahr zum Weihnachtsfest begleiten. „Auch wenn die LP schon leiert, lege ich sie wieder auf, allein aus Tradition. Das ist eine bewusste Entscheidung, ein Moment der Ruhe und keine Reizüberflutung mit Millionen Titeln“, sagt die 31-Jährige. Dann betrachtet sie „Let´s dance tonight“ von Pia Zadora und hat Lust zu tanzen. Von André Großmann