Im Labor des städtischen Klinikums werden aus ärztlichen Vermutungen gründlich analysierte Gewissheiten. Die 45 Mitarbeiter untersuchen, was das Blut und der Urin eines Patienten über dessen Gesundheitszustand aussagen.
Zwei leitende Angestellte, die die Arbeit im Labor in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt haben, hören zum Ende des Monats auf. Laborchef Thomas Wurche (62) befindet sich in den letzten Tagen seines Berufslebens in Urlaub. Sein Nachfolger wird ab Oktober Oliver Frey.
Ein Frauenbetrieb
Marlies Mewes (64), leitende MTA und enge Mitarbeiterin des Chefs, hat ihre Sachen gepackt und wird am Montag nach 43 Jahren im Beruf feierlich verabschiedet.
Mit einigen anderen Kolleginnen hat Marlies Mewes in diesem Frauenbetrieb, in dem nur zwei Männer beschäftigt sind, so gut wie alle Höhen und Tiefen miterlebt. Unter vielen einschneidenden Erlebnissen sind der Medizinisch-technischen-Laborassistentin die Tage zwischen Heiligabend und Silvester 2012 besonders in Erinnerung geblieben.
Denn pünktlich zum Jahresbeginn 2013 sollte das Labor gesund und sofort arbeitsfähig zurück in den Mutterschoß des städtischen Klinikums finden. Aus dem Privatunternehmen wieder ein städtisches werden.
Wechselnde Betreiber
Im Jahr 1997 hatte das städtische Krankenhaus seinen Laborbetrieb privatisiert. Thomas Wurche übernahm und führte das Privatunternehmen zehn Jahre lang erfolgreich. Dann kaufte ihm die Synlab-Gruppe aus Augsburg den Laden ab.
Marlies Mewes denkt an die Folgejahre nicht so gern zurück. Denn sie erlebte, wie die Spezialanalytik und die Mikrobiologie aus dem Brandenburger Labor ausgelagert wurde.
Noch heute ist die seit 1993 leitende MTA Klinikum-Geschäftsführerin Gabriele Wolter dafür dankbar, dass sie rechtzeitig die Notbremse gezogen hat. Zum 1. Januar 2013 kaufte das Klinikum – 16 Jahre nach der Verkauf – das Laborinstitut zurück.
Stress zum Jahreswechsel
Für die Meisterinnen der Analytik bedeutete das wieder einen kompletten Neuanfang. Das Labor musste zum Stichdatum mit neuer EDV arbeiten, die alte Laborausstattung hatte der Vorbesitzer ausgeräumt, Patientendaten waren nicht vorhanden und mussten als Datei erst wieder aufgebaut werden.
Marlies Mewes erinnert sich, wie die Frau eines Kollegen zwischen Weihnachten und Neujahr 2012 im fast benachbarten Kreißsaal nieder kam, während der frischgebackene Vater den störungsfreien Neustart im Labor mit seinen Kolleginnen möglich machte.
Wenn die leitende Assistentin erzählt, ist der nahe Abschied ganz fern. „Ich habe nie ungern gearbeitet“, versichert die Frau, die in Lütte in der Nachbarschaft der Gruppe Keimzeit aufgewachsen ist.
Im Schichtbus des Stahlwerks
Erlernt hat sie ihren Beruf in Belzig. Doch als sie 1975 mit ihrem Mann nach Wenzlow zog, gab es keinen Bus, der sei in die heutige Kreisstadt gebracht hätte. So suchte sie Arbeit in der näheren Umgebung und fing am 1. November 1976 im Klinikum an. Der Schichtbus des Stahlwerks nahm sie mit zur Arbeit.
In den langen Laborjahren hat sich nicht nur der Arbeitgeber verändert, sondern auch die Tätigkeit einer MTA. So wie damals ist heute nichts mehr, versichert Marlies Mewes, die ihrem geschätzten Chef zuliebe ein halbes Jahr angehängt hat.
Ein Beispiel für den Wandel: Blutzuckermessen. Das ist heutzutage eine Sache von wenigen Augenblicken. Ein Piksen, ein Streifen und 15 Sekunden später steht das Ergebnis fest.
Ätzende Essigsäure
Früher benötigte man dafür viel mehr Blut, nicht nur einen Tropfen. Es wurde pipettiert, zentrifugiert und der Blutzucker gekocht. 50 Blutzuckeranalysen an einem Tag waren damals viel. Inzwischen sind 400 Blutzuckerproben kein Problem, berichtet Marlies Mewes.
Auch Nieren- und Leberwerte lassen sich mit deutlich geringerem Aufwand und kleineren Probenmengen im Labor ermitteln. Und die Zeiten, in denen sich Labormitarbeiter ihre Fingerkuppen mit Essigsäure abgeätzt haben, sind lange schon Geschichte. „Heute bleiben die Hände sauber“, versichert die MTA.
Etwa 70 Prozent der Laborleistungen gelten dem städtischen Klinikum. „Wir analysieren aber auch für das Marienkrankenhaus, die Reha-Klinik und die JVA“, berichtet Marlies Mewes. Besonders freut sie, dass fast alle niedergelassenen Ärzte der Stadt ihre Proben in die Hochstraße schicken.
Irgendwann muss man tschüss sagen
Leicht fällt der Abschied nach so vielen Jahren an diesem Montag nicht. Natürlich freut sich Marlies Mewes darüber, dass der Stress von ihr abfallen wird, sie Zeit für die beiden Enkelkinder bekommt, zu Hause renovieren und mehr Fahrradtouren mit ihrem Mann in Ruhe genießen kann.
Ihr bewährtes Team wird die Frau vermissen, die zielstrebige und zuverlässige Chefs wie Thomas Wurche und Gabriele Wolter schätzen gelernt hat. „Irgendwann muss man aber tschüss sagen“, weiß sie. „Aber das Labor war doch mein Leben.“ Zum Glück ist es ja nicht aus der Welt.
Von Jürgen Lauterbach