Morden Frauen anders?: Krimi-Autorinnen im Mittelpunkt eines Literaturvortrags im Brandenburger Bürgerhaus Altstadt

Die Vortragsreihe „Mit Literatur um die Welt“ im Bürgerhaus Altstadt hat etwas von einem Lesezirkel. Denn hier treffen sich etwa ein Dutzend Bücherfans, um ihren literarischen Horizont zu erweitern. Seit Herbst 2018 führte sie die Reise nach Kuba, in die USA, Brasilien, Afrika, Spanien, Iran und Norwegen. Am Donnerstagabend spielte ein Subgenre die Hauptrolle, von dem nicht klar ist, ob es wirklich eines ist: die Frauenkrimis. Unter dem Titel „Die fünf Fragezeichen: Frauen erobern die Kriminalliteratur“ präsentierte die gebürtige Amerikanerin Maureen Liston bekannte und unbekannte Vertreterinnen aus dem angelsächsischen Raum. „Krimis sind mein Laster“: Organisatorin Gabriele Althoff, die Freunde vom Fach einlädt, den literarischen Abend zu gestalten, hatte mit Liston eine ihrer ältesten Bekannten dazu animiert. An der Uni Paderborn haben sich die beiden kennen gelernt. Liston, die 1973 nach Deutschland kam, hat dort im Fachbereich Amerikanistik, Anglistik und Frauenstudien gelehrt. Mittlerweile lebt sie im Ruhestand in Brandenburg. Das Vortragsthema schlug Althoff vor. „Krimis sind auch mein Laster“, gibt sie zu. Inwieweit Frauen das Genre prägen oder ändern, wollte Liston in ihrer Abhandlung verdeutlichen. Spätestens im 20. Jahrhundert spielten Krimischriftstellerinnen in der ersten Reihe mit. Ihre Romane unterschieden sich aber inhaltlich nicht zwangsläufig von denen ihrer männlichen Kollegen. Agatha Christie, Margaret Cole, Dorothy L. Sayers und weitere Frauen zählten 1928 zu den Gründungsmitgliedern des so genannten Dedection Clubs. Dieser Autorenclub stellte zehn Regeln für einen fairen Kriminalroman auf. Diese Regeln wurden allerdings nicht sklavisch eingehalten, vermutlich, weil sie teilweise sehr skurril waren. So lautete eine Vorgabe: Der beschränkte Freund des Detektivs, quasi sein Watson, muss einen Intelligenzquotienten haben, der ganz leicht unter dem des durchschnittlichen Lesers liegt. Mit der Frauenbewegung änderte sich die Literatur: Erst als die feministische Debatte die bürgerliche Gesellschaft bewegte, veränderten sich die Rollen in den Frauenromanen, stellte Liston fest. Als wegweisend nannte sie hier die Frauenrechtlerin und Autorin Carolyn Heilbrun. Sie wurde 1986 erste Direktorin des Forschungsinstituts für Frauenfragen an der Columbia. Heilbrun ist vielen aber besser bekannt unter ihrem Pseudonym Amanda Cross, unter dem sie 13 Kriminalromane verfasste. Die Protagonistinnen gewannen nun an Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit, wurden zugleich verletzlicher und vielschichtiger, stellte Liston dar. Darüber hinaus spielte Gewalt gegen Frauen in den Romanen eine größere Rolle. Als beispielhaft für die Schriftstellerinnen des 21. Jahrhunderts benannte Liston zum Ende ihres Vortrags Delia Owens. Deren spätes Debüt „Der Gesang der Flusskrebse“ wurde 2019 zum Millionenseller. „Das musste ich haben, weil es ein bisschen Heimat ist“, meinte die aus Missouri stammende Liston dazu. „Die Südstaaten sind auf Grund ihrer Geschichte und auch mit der Landschaft für Schauerromane gemacht“, befand sie. Literarisch sei „Der Gesang der Flusskrebse“ wie eine wunderbare Schichttorte. Das Buch ist Entwicklungsroman, Liebesgeschichte, Natur Writing und Krimi zugleich. Dieses Sammelsurium von Subgattungen zeichnet die modernen Frauenkrimis aus, machte Liston klar. Die Reihe „Mit Literatur um die Welt“ wird in loser Folge im Bürgerhaus veranstaltet. Teilnehmen können alle Interessierten. Der nächste Vortrag mit Schwerpunkt Mexiko folgt jedoch erst am 18. Juni. Von Antje Preuschoff

Brandenburg an der Havel - Morden Frauen anders? Krimi-Autorinnen im Mittelpunkt eines Literaturvortrags