Notorischer Führerscheinbetrüger will nicht zurück ins Gefängnis

Dass ein Unfallfahrer ins Gefängnis muss, kommt eher selten vor. Und noch seltener, wenn niemand bei dem Unfall ums Leben gekommen ist. Doch bei dem 57 Jahre alten Brandenburger, der sich vor dem Landgericht Potsdam gegen seine Haftstrafe wehrt, liegt der Fall anders. Im Januar hatte das Schöffengericht Brandenburg/Havel den Unternehmer zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren verurteilt. Wird dieses Urteil rechtskräftig, muss der Mann wirklich ins Gefängnis. Weil er dreimal beim Fahren ohne Führerschein erwischt wurde, Urkundenfälschung begangen hat und zwei weitere Männer durch sein Fahrverhalten schwer verletzt hat. Auch Staatsanwalt ist in Berufung gegangen: In der Berufungsverhandlung vor der 9. Strafkammer versuchen sowohl der Angeklagte als auch der Staatsanwalt Christian Runde, ein anderes Urteil zu erreichen. Der Brandenburger Unternehmer möchte mehr Milde. Der Staatsanwalt fordert eine zusätzliche Verurteilung wegen Fahrerflucht und eine lebenslange Führerscheinsperre. Denn das Brandenburger Schöffengericht hatte die Sperre nur für fünf Jahre ausgesprochen. Nach dem bisherigen Verlauf des noch nicht abgeschlossenen Berufungsverfahrens zeichnet sich ab, dass das erstinstanzliche Urteil nicht wesentlich verändert wird. Frank Tscheslog als vorsitzender Richter sagt, dass er die Haftstrafe bei 23 Eintragungen im Vorstrafenregister für „nicht völlig abwegig“ hält. Lebenslange Führerscheinsperre beantragt: Außerdem nennt der Richter eine lebenslange Führerscheinsperre für „unnötig“ und begründet das so: „Fünf Jahre sind viel. Was dann ist, weiß niemand.“ Wäre der Verkehrsunfall am 25. Juni 2018 auf der Landstraße zwischen Päwesin und Weseram mit den schwer verletzten Opfern nicht gewesen, würde man über die Dreistigkeit des Angeklagten womöglich nur den Kopf schütteln. Vor etwa drei Jahren hatte die Führerscheinbehörde dem 57-Jährigen seine Fahrerlaubnis entzogen. Das hinderte den gelernten Schlosser aber nicht daran, sich weiterhin hinters Steuer zu setzen. Ukrainische Führerscheinfälschung: Bei Bedarf versucht er, die Polizei mit einer ukrainischen Führerscheinfälschung zum Narren zu halten. Kriminaltechniker haben das vorgelegte, auf einem Tintenstrahldrucker erstellte Dokument ohne Mühe als „Totalfälschung“ entlarvt. Europol bestätigte den deutschen Behörden, dass der Brandenburger nicht im dortigen Personenstandsregister erfasst und ihm von der Ukraine kein Führerschein ausgestellt worden sei. Der Angeklagte versichert dem Richter gleichwohl, dass er von der Fälschung nichts gewusst habe und im besten Glauben an die Echtheit gefahren sei. Doch selbst mit einer gültigen ukrainischen Fahrerlaubnis hätte er sich in Deutschland nicht hinters Steuer setzen dürfen. Polnische Führerscheinfälschung: Richter Tscheslog erklärt, dass er dafür die Genehmigung der Fahrerlaubnisbehörde in Deutschland benötigt hätte. Doch die besaß und besitzt er nicht. Das ukrainische Papier war aber nicht die einzige Variante, mit der sich der Angeklagte trotz Führerscheinentzugs motorisiert durch Brandenburgs Straßen bewegte. Direkt nach seinem Prozess im Januar im Amtsgericht eilte er zu einem Auto und fuhr wieder los. Die damalige Staatsanwältin sah das und benachrichtigte die Polizei. Den Beamten zeigte der 57-Jährige daraufhin einen polnischen Führerschein. Auch dieses angebliche Dokument hat sich als „Totalfälschung“ herausgestellt. Polen hat den Brandenburger nie zum Autofahren berechtigt. Vorstrafe im Gefängnis abgesessen: Der Vater zweier erwachsener Töchter hat seit 1993 schon einiges auf dem Kerbholz und hat auch schon mehr als drei Jahre im Gefängnis gesessen. Verurteilt wurde er über die Jahre unter anderem deshalb, weil er mit Drogen gehandelt, betrogen, gestohlen hat. Und weil er sehr oft ohne Führerschein gefahren ist. Was der führerscheinlose Handwerker am 25. Juni 2018 bei Roskow angerichtet hat, ist endgültig nicht mehr lustig. Nicht nur hat er sich selbst durch sein Fahrmanöver in den Gegenverkehr schwer verletzt. Er hat zwei arglose Autofahrer mit ins Unglück gestürzt. Unfallopfer muss Beruf aufgeben: Eines dieser Unfallopfer erleidet bei jenem Unfall ein Schädelhirntrauma und einen Oberschenkelbruch. Die behandlungsbedürftigen Angstzustände sind auch nach anderthalb Jahren geblieben. Das noch schwerer verletzte zweite Unfallopfer hat seinen Beruf als Fußbodenverleger aufgeben müssen und geht bis heute an Krücken. Von Jürgen Lauterbach

Brandenburg an der Havel - Notorischer Führerscheinbetrüger will nicht zurück ins Gefängnis