Friedlich grasen die Charolais-Rinder auf den saftigen Talwiesen des Marzahner Fenns. Doch eine lokale Naturkatastrophe hat dem idyllischen Bild eine böse Wunde zugefügt. Wie von der Faust eines Riesen getroffen, liegen an die 400 Birken, Erlen und Pappeln nebeneinander auf dem Grünland. Die Bäume, die seit etwa 20 Jahren das Südufer des Hauptentwässerungsgrabens säumten, sind nicht einfach umgeknickt. Sie wurden auf einer Länge von über 300 Metern samt ihrer Wurzelteller aus dem Boden gehebelt.
Wie eine schwarze Wand erhebt sich das aufgeklappte Erdreich entlang des so genannten Russengrabens, der 1917 zur Regulierung des Marzahner Fenns von russischen Kriegsgefangenen ausgehoben wurde. Das künstliche Fließgewässer ist plötzlich doppelt so breit. Schuld an dem gruseligen Anblick mitten im Naturschutzgebiet war die Sturmnacht zum 23. Juni, die den Feuerwehren im Amt Beetzsee in den Ortslagen schlaflose Stunden bescherte. Was jedoch die Kraft einer gewaltigen Orkanböe im menschenleeren Fenn anrichtete, sickerte erst nach und nach an die Öffentlichkeit.
Erinnerungen an das Starkregenjahr 2007
Der Russengraben wird mindestens einmal jährlich vom Wasser- und Bodenverband beräumt. Allerdings nur von einer Seite. Am anderen Ufer konnten sich seit den 1990er-Jahren Pioniergehölze ausbreiten.
Das Marzahner Fenn ist ein eiszeitliches Feuchtgebiet, das sich teilweise auf einem Naturlehrpfad erkunden lässt. Ohne künstliche Entwässerung wäre dort keine landwirtschaftliche Nutzung möglich.
Die aktuellen Bilder erinnern an das Starkregenjahr 2007. Damals ergossen sich Schlammlawinen von den Feldern in der Gemarkung Radewege in den Russengraben. Ganze Böschungen rutschten ab.
Zuerst waren es Mitarbeiter der Brielower Agrar GmbH, die einen großen Teil des Feuchtgebietes bewirtschaftet, die Alarm schlugen. „Solche Zerstörungskraft habe ich bisher noch nicht gesehen“, berichtet Agrar-Chef Gerhard Ullrich. Neben der ausradierten Baumreihe tobte sich der Orkan samt Hagelschlag über Mais und Roggen aus. Es kam zu Totalverlusten auf mehreren dutzend Hektar. Dabei haben die Brielower und andere Landnutzer Glück im Unglück. Weil die Bäume ausnahmslos auf die Landseite krachten, verläuft die Entwässerung des Fenns über den Russengraben und die Radeweger Löcher in den Beetzsee weiter ungestört.
Dennoch herrscht bei dem in Rathenow ansässigen Wasser- und Bodenverband „Untere Havel-Brandenburger Havel“ Alarmstimmung. Problem: Wer kommt für die Beräumung der auf private Flächen gefallenen Grabenbäume auf? Die Kosten dafür betragen nach ersten Schätzungen an die 10 000 Euro. Geschäftsführer Winfried Rall traf am Mittwoch im Fenn mit Kommunalpolitikern aus Beetzseeheide und Havelsee zusammen. Der nördliche Teil des acht Kilometer langen Russengrabens bildet die Grenze zwischen beiden Gemeinden, die sich an den Kosten beteiligen sollen.
Marzahnes Ortsvorsteher Carsten Wuttke schlug vor, sich zunächst mit den Landnutzern zu verständigen. „Vielleicht hat jemand selbst Interesse am Holz“, so Wuttke. Für Beetzseeheide drängte Gemeindevertreter Richard Falke auf eine genaue Klärung der Eigentumsverhältnisse. Ein Wörtchen mitreden bei der weiteren Vorgehensweise wird auch die Untere Naturschutzbehörde, mit der es am 30. August einen Lokaltermin geben wird.
Fest steht, dass ohne eine Beräumung des Windbruchs eine Böschungssicherung durch den Wasser- und Bodenverband nicht möglich ist. Verbandsgeschäftsführer Rall geht davon aus, dass viele Wurzelteller nach dem Absägen der umgestürzten und unter Spannung stehenden Bäume von allein in den Graben zurückklappen. „Bei anderen helfen wir eben nach“, so Rall. Mit weiteren Sturmschäden musste sich der Wasser- und Bodenverband Rathenow in der Gemarkung Schmerzke beschäftigen, wo ebenfalls eine Orkanböe tobte, der allerdings nur rund 40 Grabenbäume zum Opfer fielen.
Von Frank Bürstenbinder