Preis für Foodsharer: Diese Brandenburger retten Lebensmittel vor dem Müll

Diesmal klappern Bierflaschen in den Fahrrad-Satteltaschen von Susan Griesbach. Dazu gesellen sich ein Apfel, eine Packung Quark und ein Brötchen. Am Vortag transportierte die Brandenburgerin in den Taschen Eimer mit Nudeln und Gulasch. So unterschiedlich sieht es aus, wenn die Foodsaverin von ihrem Rettungseinsatz zurück kehrt. Aber das ist ihr egal, denn wieder hat sie noch verwendbare Lebensmittel davor bewahrt, im Müll zu landen. Die Foodsharing-Initiative in der Havelstadt ist erfolgreich – und zählt mit ihrem Engagement zu den Umweltpreis-Empfängern der Stadt Brandenburg. Mit dem Preis werden Projekte ausgezeichnet, die in geeigneter Weise zur Verbesserung der Artenvielfalt, des Klimas oder der Umwelt beitragen. Hauptpreisträger ist 2020 die Kreisgruppe des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD), die unermüdlich für eine fahrradfreundliche Stadt kämpft. Die Foodsharer heimsten ebenfalls eine Urkunde und eine Prämie über 200 Euro ein. „Ihr Wirken trägt dazu bei, dass Lebensmittel sinnvoll verwendet und nicht entsorgt werden. Die Erzeuger können ihre Produkte absetzen; es ergibt sich eine Win-Win-Situation auf allen Seiten“, begründet die Stadt die Vergabe. Zu schade für den Müll: Die deutschlandweite tätige Foodsharing-Initiative hat der Verschwendung von Lebensmitteln den Kampf angesagt. Seit 2018 sind die Lebensmittelretter in der Havelstadt aktiv. „Wir retten, was noch übrig oder abgelaufen ist und verteilen es weiter“, beschreibt Bezirks-Botschafterin Jessica Schulz schlicht ihre Aufgabe. Das kennt jeder: Das Verfallsdatum eines Produktes im Supermarkt ist überschritten, es wird aussortiert. Oder: Die Regale in der Bäckerei sind Samstagabend noch voll, die Reste landen in der Tonne. Schade, denn ein Mindesthaltbarkeitsdatum heißt nicht, dass etwas schlecht ist und ein Brötchen ist am nächsten Tag noch genießbar. Dennoch enden etwa 30 Prozent der Lebensmittel als Abfall. Genau das findet die Foodsharer fürchterlich und arbeiten mit Betrieben zusammen, um eben jene wertvollen Lebensmittel doch noch unters Volk zu bringen. „Wir haben feste Kooperationen“, erzählt Jessica Schulz. Dazu gehört ein Supermarkt, zwei Kantinen und – wenn sie nicht coronabedingt dicht haben – zwei Cafés. Die Foodsaver vereinbaren Abholtage und -zeiten, um ungewollte und überproduzierte Lebensmittel herauszuholen. „Die Mengen und Artikel sind völlig unterschiedlich“, erzählt Susan Griesbach. „Manchmal sind es eben ein Apfel und ein Brötchen und manchmal 20 Kilo fertig zubereitete Speisen.“ Dann zum Beispiel, wenn die Nudeln mit Gulasch den Kids in der Kita nicht so gemundet haben, erzählt sie schmunzelnd. Mit dem Rad unterwegs: Griesbach selbst ist mit dem Fahrrad unterwegs und verpackt die Lebensmittel in den Satteltaschen. Andere Foodsaver nutzen das Lastenrad oder einen Anhänger, seltener sind sie mit dem Auto unterwegs. Eine Handvoll Aktive gondeln dafür mittlerweile durch Brandenburg. Die Zahl der Abnehmer ist da schon größer. 58 sind im Bezirk verzeichnet. „Ein Großteil ist ein Netzwerk von Nachbarn“, erzählt Susan Griesbach. Die 38-Jährige teilt den registrierten Abnehmern mit, was sie in ihren Taschen hat. Sie wird dann teilweise bereits auf dem Heimweg erleichtert oder zuhause besucht. Manchmal stellt sie unter www.foodsharing.de die Ware in einen Essenskorb ein, auf den sich Interessierte melden können. Für all das muss nichts bezahlt werden. Wer ebenfalls ein Problem mit Lebensmittelverschwendung hat und sich der Foodsharing-Initiative anschließen will, erhält nähere Infos bei Bezirks-Botschafterin Jessica Schulz unter 0172-4611813 oder per E-Mail an brandenburg.an.der.havel@foodsharing.network. Registrieren können sich Interessierte auch problemlos unter www.foodsharing.de. Wer zudem gern Lebensmittel aus Betrieben retten möchte, muss noch weitere Schritte tun, um für das verantwortungsvolle Prozedere fit zu sein. Dazu zählt unter anderem, ein Quiz zu absolvieren. „Wir haben die Rückmeldung von einigen Menschen bekommen, dass das foodsharing-Quiz nicht ganz einfach ist“, teil Jessica Schulz nun mit. Aus diesem Grund wird es am 7. Dezember ab 18 Uhr online eine „foodsharing quiz night“ im Rahmen eines Zoom-Meetings geben. Relevante Inhalte finden Interessierte unter https://wiki.foodsharing.de/Quiz Wer Nahrungsmittel nicht nur beziehen, sondern retten will – also von einem Unternehmen abholen möchte – muss eine gewisse Etikette wahren. Die Ehrenamtler unterschreiben einen Haftungsausschluss, absolvieren ein Quiz und nehmen an bis zu drei Abholungen mit einem erfahrenen Essensretter teil. Danach erhalten sie einen Foodsaver-Ausweis, mit dem sie sich bei der Abholung legitimieren. „Das Prozedere soll vor Missbrauch schützen und zeigt Verantwortung gegenüber den Betrieben“, macht Jessica Schulz klar. Die klaren Abläufe und Legitimationen geben in der Corona-Krise zusätzliche Sicherheit. Die Hygienemaßgaben sind vorab schon eingehalten worden, erzählen die Brandenburgerinnen. Die Foodsaver können mit ihrer Rettungsaktion weiter machen. Kreativ in der Küche: Auswirkungen hat Corona jedoch auf den öffentlichen „Fair-Teiler“, der in der Katharinenkirche zu finden ist. Hier können Privatpersonen Lebensmittel einstellen, die sie selbst nicht mehr verwenden wollen – und genauso welche herausholen. Aktuell ist er geschlossen. Laut Jessica Schulz soll der Verteiler aber im Dezember wieder öffnen – samstags, sonntags und montags. Die Initiative hat in Brandenburg mittlerweile schon 5325 Kilo Lebensmittel gerettet. Manchmal gilt es, größere Mengen schnell unter die Leute zu bringen. „Wir hatten schon ein ganzes Lastenrad voller Frischmilch sowie kiloweise Bananen“, erzählen die Foodsaver. Das allerdings ist nicht schlimm, sondern regt die Kreativität in der Küche an. Noch heute schwärmen die Lebensmittelretterinnen von tollen Rezepten mit Bananen – von Brot über Chips bis hin zu Eis. Von Antje Preuschoff