Querschnittgelähmter Henrik Schmidt schreibt nach neun Monaten in Klinik nun zu Hause Abitur

Diese Zeit der Corona-Pandemie ist für viele Menschen einfach nur schlimm. Einer aber verliert nicht den Mut, der querschnittsgelähmte Henrik Schmidt, der seit seinem Motorrad-Unfall am 14. Juni 2019 im Rollstuhl sitzt. Der 17-Jährige hat endlich nach neun Monaten das Unfallkrankenhaus in Berlin-Marzahn verlassen. Zu Hause ist Henrik Schmidt seit dem 18. März wieder. Dann endlich war seine Reha abgeschlossen. In diesen Tagen absolviert der von Saldern-Gymnasiast das Abitur zu Hause in Roskow. Möglich macht das eine Ausnahmegenehmigung des brandenburgischen Bildungsministeriums und die seit Monaten andauernde große Unterstützung seiner Schule, Lehrer und Mitschüler. Schon das ist ein Wunder, wie der Heranwachsende über ein dreiviertel Jahr im Unterrichtsstoff fit und ein Einser-Schüler geblieben ist. Zwei Lehrer bei Prüfung dabei: Wenn Henrik Schmidt seine Abi-Arbeiten schreibt, sind zwei Lehrer dabei, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Prüfung zu gewährleisten. „Sie nehmen die schriftliche Abiturprüfung ab. Dabei achten wir natürlich auf genügend Abstand und Schutzausrüstung“, sagt der junge Mann. Noch bis nächste Woche dauern die schriftlichen Prüfungen an. Im Mai folgt das mündliche Abitur. Was aufgrund der Corona-Krise seit März Schüler in vielen Ländern der Welt praktizieren, ist für Henrik Schmidt seit vorigem Sommer schon Alltag: Lernen fernab der Schule und das nicht als Homeschooling, sondern vom Klinikbett aus. Online ist Henrik Schmidt nun ein Dreivierteljahr mit seinen Lehrern und Mitschülern verbunden. Treffen mit Freunden nicht möglich: Sein Ziel vor Augen zu bewahren, ist sein Rat an andere Schüler in dieser Pandemie-Zeit. „Für mich sind die Umstände auch eine Herausforderung.“ Das Abitur nach den Durchschnittsnoten der vergangenen Monate zu vergeben, wie es ein Vorschlag des Landes Schleswig-Holstein war, hätte Henrik Schmidt nicht gefallen. „Ich wollte einfach nicht, dass man später schaut und meinen könnte, der Abschluss wurde uns leichter gemacht, ja sogar hinterhergeworfen.“ Corona bedeutet für den Schüler des von Saldern-Gymnasiums nach all den sorgenvollen Monaten eine weitere Prüfung: Wegen Covid-19-Vorsichtsmaßnahmen kann Henrik weitere Verwandtschaft und seine Freunde nicht mehr sehen. „Es geht mir soweit ganz gut, es gibt auf jeden Fall keine körperlichen Beschwerden oder Baustellen. Allerdings bin ich in dieser Zeit ziemlich von den Umständen genervt“, sagt Henrik. Und: „Meine Laune geht, wenn ich an die künftige Zeit der Pandemie denke, ziemlich in den Keller.“ Und doch strahlt Henrik Schmidt eine große Zuversicht aus: „Auch wenn es mir von Zeit zu Zeit schwerfällt, glaube ich, dass man sich von den Umständen momentan nicht unterkriegen lassen darf. Es werden wieder bessere Zeiten kommen“, sagt Henrik Schmidt. „Und genau darauf arbeite ich jetzt mit meiner Vorbereitung auf den Schulabschluss hin.“ Keine Erinnerung an Unfall: An den Unfall hat der Abiturient keine Erinnerung mehr, an jenen Sommermorgen kurz vor den großen Ferien, als der damals 16-Jährige auf der Krakauer Straße in Brandenburg aus nie zu klärenden Gründen gegen einen Baum fuhr. Henrik Schmidt war gerade auf dem Weg zur Schule gewesen. Ein Rettungshubschrauber flog ihn nach Berlin. Die Diagnose im Unfallkrankenhaus Marzahn lautete neben anderen schweren Verletzungen: Querschnittlähmung ab dem fünften Brustwirbel. Auch wenn Henrik Schmidts Eltern beständig an der Seite ihres Sohnes sind und waren, fühlte sich Henrik „abgeschlagen“. Isoliert in der Klinik vom normalen Leben eines bis dahin sehr sportlichen Jugendlichen. Durch Corona verlängert sich diese Zeit nun um weitere Monate. „Ich versuche, mich vom ganzen Frust durch das Lernen für das Abitur abzulenken.“ Tipps des Lernprofis: Erleichtert ist Henrik Schmidt, dass der Abi-Termin nun läuft: „Es wäre mir sonst schwer gefallen, die Motivation die ganze Zeit aufrecht zu erhalten.“ Was rät Henrik Schmidt Schülern, die nun wie er online lernen müssen: „Ich habe mir die Inhalte geordnet und dann die wichtigen zusammengesucht. Um zu erkennen, was wichtig ist, habe ich den Austausch mit den Lehrern gesucht und es mit ihnen abgeklärt, bevor ich angefangen habe zu lernen.“ Den Lernstoff gliedert Henrik Schmidt nach Strukturen und visuellen Aspekten und schreibt ihn so erneut auf. Diese farblich gestalteten Lernblätter paukte er dann immer wieder. Anderen den Stoff erklären zu können, ist ein weiterer Tipp des Lernprofis. Den kleinen Geschwistern ein Thema nahe zu bringen, sei dazu gut geeignet. Auch einen Austausch über den Stoff mit Klassenkameraden empfiehlt Henrik Schmidt, so könne manch ein Irrtum vermieden werden, bevor er sich einpräge. „Für mich war immer wichtig, in Lerngruppen meine Leute immer wieder virtuell getroffen zu haben.“ Henrik möchte Informatik oder Psychologie studieren, wenn die Zeit wieder leichter ist. Und das rückt jeden Tag näher. Doch auch wenn die Unis weiter in Online-Kursen ihre Vorlesungen abhalten, keiner dürfte besser darauf vorbereitet sein als Henrik Schmidt. Von Marion von Imhoff

Brandenburg an der Havel/ Roskow - Nach neun Monaten in Klinik: Henrik Schmidt schreibt zu Hause Abitur