Schülerin des Fläming-Gymnasiums in Bad Belzig sorgt mit Online-Petition an Ministerin für Wirbel

Wenn der Abschlussjahrgang des Bad Belziger Fläming-Gymnasiums am 19. April den letzten Unterrichtstag abhakt, liegen hinter den rund 100 jungen Erwachsenen Monate, die von Corona bestimmt waren. Mit Abstand, Masken, Quarantäne, Schulausfall, Distanzunterricht – und Sorgen um die Zukunft. Drei schriftliche Prüfungen: So wie bei Helena Basigkow (18). Auch die Zwölftklässlerin aus Golzow steht Mitte April vor den schriftlichen Abiturprüfungen. Wer die verhaut, kann an der nächsten Uni das Nachsehen haben. Zwei Abschlussarbeiten sind in ihren Leistungskursen Englisch und Deutsch und eine Prüfung im Grundkurs Biologie fällig. Die Vorbereitung auf die Prüfungen hält die Gymnasiastin pandemiebedingt für alles andere als optimal. So kann Corona Lebenswege verbauen. Darum geht es auch in ihrer Online-Petition an Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). Forderungen ans Ministerium: Die Forderungen an das Bildungsministerium leuchten auf den ersten Blick ein. Wer sich auf Abiturniveau vorbereitet fühlt und Prüfungen schreiben möchte, soll dies tun dürfen. Alle anderen Schüler, die sich gegen die Prüfungen entscheiden, erhalten ihr Abitur nach dem Durchschnitt der Zeugnisnoten der Klassen 11 und 12. Zwar ist die aktuelle Zahl der Unterstützer noch weit von einer Massenbewegung entfernt, das kann sich aber in den nächsten Tagen ändern. Landesweit müssen rund 10 000 Abiturienten unter ähnlichen Bedingungen zu Prüfungen antreten. Unter openpetition.de sorgt die „Online-Petition für ein optionales Durchschnittsabitur“ deshalb gerade für Wirbel im Netz. „Kein Wunder. Hinter uns liegt ein chaotisches Schuljahr. Ich habe starke Zweifel, dass sich alle Schüler auf einem gleichen Abiturniveau befinden, um erfolgreiche Prüfungen abzulegen. Viele waren in Quarantänephasen und beim digitalen Lernen auf sich allein gestellt. Bei leichtesten Erkältungssymptomen mussten wir zuhause bleiben. Es gab gesundheitsbedingte Lehrerausfälle und wacklige Internetverbindungen. Unsere Lehrer sind sehr engagiert, doch von Normalität war der Unterricht weit entfernt“, beschreibt die Golzowerin die Lage am Gymnasium. „Niemand will sich vor Prüfungen drücken. Doch halte ich es wegen der aktuellen Situation für realistischer, die Leistungen der letzten zwei Jahre für die Abiturnote heranzuziehen. Ob mit oder ohne Prüfung dürfte auf dem Zeugnis gar nicht vermerkt sein“, findet Helena Basigkow. Und was sagt Schulleiterin Kathrin Wiencek zu dem schlagzeilenträchtigen Vorstoß einer ihrer Schülerinnen? „Ich verstehe die Sorgen sehr wohl. Denn die Lage ist tatsächlich schlimm. Aber noch schlimmer für die jungen Leute kann ein Abitur ohne Prüfung werden. Es gibt keine länderübergreifenden Abmachungen, wonach ein Abitur ohne Prüfung anerkannt werden muss. Bei späteren Bewerbungen im Ausland, ja selbst in anderen Bundesländern, kann solch ein Abschluss zum ganz großen Risiko werden“, gibt Wiencek gegenüber der MAZ zu bedenken. Gegen Durchschnittsabitur: Eine Meinung, der sich auch der Sprecher des Landeselternrates, René Mertens, aus Ziesar anschließt. „Als Elternrat sind wir auf einer Linie mit dem Ministerium. Natürlich kennen wir die Probleme der Schulen. Die aktuelle Petition sehe ich als Hilferuf. Doch ein möglicher Prüfungsverzicht wäre der falsche Weg. Die Hochschulreife wäre möglicherweise ein Leben lang angreifbar.“ Schulleiterin Wiencek verweist auf die am Mittwoch vom Bildungsministerium bekanntgemachten Regelungen, um die Prüfungen besser an die schwierige Lage anzupassen. So werden die Schüler bei den zentralen Prüfungen aus einem größeren Aufgabenpool auswählen können. Dabei soll auch ein möglicher Lehrstoffausfall an den Schulen berücksichtigt werden. Termine entzerren: Außerdem sollen die eng gesteckten Prüfungstermine entzerrt werden. So können Nachschreibetermine für die erste Prüfung aufgerufen werden. „Wir wollen, dass jeder bei uns ein ordentliches Abitur ablegen kann“, versichert Schulleiterin Wiencek. Ein Hoffnungszeichen auch für Helena Basigkow, die nach erfolgreicher Prüfung zunächst ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren will. Dann sollten ihr alle Wege für ein Studium im Bereich Kunst, Kultur und Bildung offen stehen. Von Frank Bürstenbinder