Selbstverteidigung: So trainieren Brandenburger wie die israelische Armee

Mit Schlägen und Tritten attackiert Gert Lohß seine Frau Korona. Der 64-Jährige packt sie am Hals und schnürt ihr die Luft mit einem Würgegriff ab. Doch sie reagiert sofort, greift mit der Hand in sein Gesicht und befreit sich. Kampf mit Kontakt: Sekunden später lacht das Paar, denn die Golzower haben keinen Ehestreit, sie trainieren die in der Havelstadt neue Selbstverteidungsmethode Krav Maga. Die Bezeichnung kommt aus dem Hebräischen, bedeutet „Kampf mit Kontakt“ und war einst für die israelische Armee und den Geheimdienst Mossad gedacht. „Krav Maga hilft uns bei der Selbstverteidigung im Alltag. Wir testen unsere natürlichen Reflexe, üben die Kontrolle in Stress- und Drucksituationen und versuchen, Gefahren vorab zu erkennen. Das ist ein Sport für Körper und Geist, bei dem man immer hellwach sein muss“, sagt Korona Cantillo-Lohß. Vorbereitung auf Gefahren: Sie und ihr Mann trainieren Griffe und Abwehrhaltungen. Sie testen verschiedene Schläge, mit der Hand ins Gesicht, dem Ellenbogen zum Brustbein und Tritte zum Unterleib als Gegenangriff. Sie stellen klar, dass beim Krav Maga nicht der Sieg über einen Angreifer das Ziel ist, „sondern so unbeschadet wie möglich aus einer Gefahrensituation zu entkommen“. Das Zauberwort beim Training heißt für sie Deeskalation. „Bis zu einem gewissen Punkt bleibe ich ruhig und entspannt, doch das ist nicht immer möglich, deshalb bereiten wir uns auf alle Situationen vor“, sagt Gert Lohß. Organisator Marcus Engel betont, dass jeder Mensch Opfer eines Angriffs werden kann und im Gegensatz zum Kampfsport gibt es auf der Straße keine Regeln und Schiedsrichter fehlen. Oftmals müssten nicht nur einzelne Angreifer, sondern mehrere, auch bewaffnete Angreifer abgewehrt werden, deshalb sei die Technik auch ein Hilfsmittel im Kampf ums Überleben. „Krav Maga ist entwickelt worden, damit Menschen sich gegen Aggressionen und Bedrohungen behaupten können. Dabei kommt es hier nicht auf die Schönheit und das Aussehen der Techniken an, sondern lediglich auf ihre Wirksamkeit und die Möglichkeit. Und wir versuchen zuerst immer, Gefahren aus dem Weg zu gehen“, sagt der 48-Jährige. Für ihn lautet das Motto „Nur ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf“. Ursprünge in den 1930er-Jahren: Er betont, dass jeder Krav Maga ausprobieren kann, egal ob man Fitnessguru oder Anfänger ist, unabhängig von Alter und Geschlecht. Die Geschichte des Krav Magas geht zurück bis in die 1930er Jahre. Damals trainierte Imrich Lichtenfeld seine Kampfmethode in Budapest, um die dort lebenden Juden gegen antisemitische Übergriffe zu unterstützen. Nach einer abenteuerlichen Flucht und einer Zeit bei der britischen Armee durfte er 1942 nach Palästina einreisen. Nach Gründung des Staates Israel 1948 wurde Lichtenfeld Nahkampfausbilder in der israelischen Armee. Training im Dunkeln: Aktuell testen 30 Hobbysportler das Selbstverteidigungssystem und das auch unter erschwerten Bedingungen. „Wir trainieren verschiedene Situationen und machen das Licht aus, wenn es im Winter schon früher dunkel ist. Während man mit geschlossenen Augen durch den Raum läuft, tippt der Trainingspartner einen an und dann starten wir die Übungen. Das ist eine Schärfung der Sinne und für mich die Verbindung zwischen der körperlichen und geistigen Leistung“, sagt Korona Cantillo-Lohß. Sie ist überzeugt, dass sich die Technik auf ihre Körperhaltung auswirkt. „Man geht selbstbewusster raus und ist nicht mehr das Opfer“, kommentiert die Golzowerin. Bislang mussten sie und ihr Mann Gert noch nicht auf der Straße kämpfen. „Doch für den Ernstfall haben wir uns vorbereitet, so gut es geht. Dieser Sport hält uns fit, stärkt das Immunsystem und das Bewusstsein. Davon bin ich überzeugt“, sagt der 64-Jährige und trainiert den nächsten Schlag. Info: Zweimal pro Woche trainieren Brandenburger das Selbstverteidigungsystem Krav Maga. Kurse finden Mittwoch von 17 bis 18.30 sowie Freitag von 18.00 bis 1930 Uhr in den Räumen der Jiu-Jitsu-Kids/Gladiator-Akademie, Magdeburger Landstraße 6 statt. Infos unter: 017640371926 und per Mail an Jiujitsukids@web.de Von André Großmann