Abgesagt: Doch kein Weihnachtsmarkt in Brandenburg an der Havel

Zum Schluss glaubten selbst die Veranstalter nicht mehr daran, dass ihr Unterfangen noch gelingen würde. „Es sieht nicht gut aus“, meinte Gewerbevereinschef Michael Kilian bereits am Montag, auf die Chancen für die Realisierung eines Weihnachtsmarktes in der Brandenburger Innenstadt angesprochen. Nun ist klar: 2020 ist auch in dieser Hinsicht ein „freudloses Jahr“. In der Tat hatten sich zuvor die Fälle von Covid-19-Infizierten in der Stadt und im Land trotz Teil-Lockdown massiv erhöht und aus den Staatskanzleien der Bundesländer und dem Bundeskanzleramt waren längst die Gerüchte zu hören, dass der Lockdown verlängert würde und damit auch nach dem 1. Dezember kein Weihnachtsmarkt möglich sein werde. Dennoch waren Kilian und Teile seiner Mitstreiter noch am Montag auf dem Neustädtischen Markt beobachtet worden, als noch einmal über die Organisation des dann ab 1. Dezember erwarteten Weihnachtsmarktes redeten. Nach der Verlängerung der Ausnahmesituation zog Kilian am Donnerstag die Reißleine: In diesem Jahr gibt es in der Brandenburger Innenstadt keinen Weihnachtsmarkt, teilte er sichtlich bedrückt mit. Der nun bis zum 20. Dezember verlängerte Lockdown untersage derartige Veranstaltungen. „Der Gewerbeverein hat bis zum Schluss dafür gekämpft, den Markt durchführen zu können. Aber die Gesundheit steht in diesen schweren Zeiten über dem Spaß“, meint Kilian. Möglicherweise erweist sich das Festhalten an den Plänen für den Weihnachtsmarkt und die Absage erst im letzten Moment für die 35 Händler als Glücksfall. Denn die Bundesregierung hat angekündigt, die Händler und Schausteller mit 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahresmonat zu entschädigen. „Ich glaube, dass das für viele Händler, die in diesem Jahr ja nichts verdient haben, die Rettung sein kann. Sonst gibt es sie im nächsten Jahr nicht mehr“, glaubt der Gewerbevereinschef. Doch noch lieber als die Entschädigung hätte er gesehen, wenn man mit Hygienekonzept und Abstand dennoch einen Weihnachtsmarkt auf die Beine gestellt hätte. Alles sei dafür vorbereitet gewesen. Innerhalb von einer Woche hätte man die Buden errichten und die vorbereitete Dekoration anbringen können. Alles stand bereit und war bestellt. Nun müssen die bereits gekauften Weihnachtsbäume und das Grün an anderer Stelle genutzt werden. „Wir konnten es weiterverkaufen“, sagt Kilian schon Donnerstag. Was, wie Kilian sagt, vielen Innenstadthändlern gar nicht bewusst sei, ist der Umstand, dass die verkaufsoffenen Sonntage an diesem Wochenende abgesagt werden. Das betrifft den kommenden Sonntag (29. November) ebenso den Sonntag, 13. Dezember. Das beschlossen auch die Stadtverordneten. Schwierige Begründung: Die Begründung für das faktische Aufheben bereits früher gefasster Beschlüsse vom 26. Februar 2020 zu den verkaufsoffenen Sonntagen am 1. und am 3. Advent ist hergeleitet und nicht sofort schlüssig: „Gemäß der aktuell geltenden Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen ... ist die Durchführung des Weihnachtsmarktes jedenfalls bis zum 30. November nicht möglich“, heißt es in der Verwaltungsvorlage. Sonntagsöffnung ist immer Ausnahme: Sonntagsöffnungen sind aber grundsätzlich immer nur Ausnahmeregeln, sie müssen an ein bestimmtes Ereignis gebunden sein, etwa an den Weihnachtsmarkt oder an den Töpfermarkt. Das fällt nun weg: kein Weihnachtsmarkt – keine Sonntagsöffnung. Alle Adventssonntage bleibt es ruhig in der City: Da die vom Land verordneten Eindämmungsmaßnahmen wie jetzt beschlossen aber noch nicht verkündet – verlängert werden und dann bis zum 21. Dezember gelten, ist auch der zweite Einkaufssonntag am 3. Advent (13.Dezember) ohne den Weihnachtsmarkt nicht denkbar. Vorratsbeschluss für 3. Advent: Da die Stadtverordneten turnusgemäß erst am 16. Dezember wieder tagen, müssten sie womöglich eine Sondersitzung einlegen, nur um diesen einen Termin abzusagen. Deshalb haben die Stadtverordneten am Mittwoch eine Art „Vorratsbeschluss“ gefasst, dass diese Entscheidung (Absage) im so genannten Umlaufverfahren getroffen wird, zu dem die Stadtverordneten nicht zusammenkommen müssen. Die Verwaltung stützt sich in ihrer Auffassung auch auf ein Schreiben des Brandenburger Gesundheitsministeriums, indem dringend empfohlen wird, Verkaufssonntage ausfallen zu lassen, wenn auch die damit verbundenen „besonderen Anlässe“ wegfallen. Diese Rechtsauffassung sei bindend für die Kommune. Auch Bedenken im Rathaus: Gleichwohl hat beispielsweise der für die Gewerbeaufsicht und das Ordnungsamt zuständige Beigeordnete Michael Brandt (CDU) die Verwaltungsvorlage nur eingeschränkt mitgezeichnet: „Unter Verweis auf Schreiben des Gesundheitsministeriums mit Bedenken“, hat er handschriftlich angefügt. „Ich weiß nicht, inwieweit die Händler auf einen Beschluss vertraut haben, der einmal Rechtskraft hatte. Das spielen die Themen Vermögensdisposition und Vertrauensschutz eine Rolle. Doch wir kriegen jeden Monat neue Gesetze und beinahe täglich neue Anordnungen. Da bleibt gar keine Zeit, solche Sachverhalte rechtlich zu prüfen.“ Kritik am Land: Der Stadtvermarkter Thomas Krüger (CDU) kritisierte ausdrücklich das Land, das nicht genügend Planungssicherheit für die Einzelhändler geschaffen habe. Gerade in der Havelstadt gebe es einen hohen Anteil an inhabergeführten Läden. Krüger appelliert an die Brandenburger, trotz der Einschränkungen den lokalen Handel zu stützen und nicht noch mehr Onlinegeschäfte abzuschließen. Für Michael Kilian ist das Jahr gelaufen. „Ich hätte gern einen Glühwein getrunken. Aber was soll es?“ Die Entscheidung gegen den Markt und die verkaufsoffenen Sonntag hält er für falsch. Je länger die Zeit sei, in der die Menschen einkaufen können, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit, dass man sich begegnet: „Ich hätte alle Sonntag zu verkaufsoffenen Tagen gemacht.“ Von André Wirsing und Benno Rougk

Verkaufsoffene Sonntage fallen aus – auch kein Weihnachtsmarkt in Brandenburg an der Havel