Warum das Klinikum Brandenburg an der Havel neue Kredite braucht

Dem Städtischen Klinikum soll nicht auch noch finanziell die Puste ausgehen. Deshalb will die Stadt Brandenburg an der Havel für einen Kredit bürgen, welche die 100-prozentige Tochtergesellschaft bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB) aufnehmen will. Die Kreditsumme soll 10,5 Millionen Euro betragen und setzt sich zusammen aus dem Umschulden des bereits ausgereichten Darlehens der Technischen Werke Brandenburg TWB in Höhe von acht Millionen und einer Neu-Kreditaufnahme von 2,5 Millionen Euro. Große Unsicherheit in Krankenhäusern: In den Krankenhäusern herrsche eine große Unsicherheit über die Kurz- und mittelfristige Liquiditätssituation, das Klinikum schicke der Stadt ohnehin bereits monatlich einen Liquiditätsbericht. Die Unplanbarkeit von Einnahmen entstehe aus dem rapiden Wegfall von elektiven Leistungen, also alle Behandlungen und Operationen, die nicht aus einem Notfall rühren, sowie der unklaren Refinanzierung von stationären Covid-19-Behandlungen. Die Ausgleichsvergütungen seien zum Teil nicht auskömmlich und in ihrer Fortzahlung unsicher und befristet, heißt es in der Beschlussvorlage an die Stadtverordneten. Stadtverordnete müssen Bürgschaft bestätigen: Das Einbinden der kompletten Volksvertretung ist notwendig. Normalerweise wird der jährliche Wirtschaftsplan vom Hauptausschuss bestätigt. Diesmal geht es aber um das Bürgen und notfalls um das Haften für den zweistelligen Millionenbetrag. Ursprünglich wollte Oberbürgermeister Steffen Scheller (CDU) die Vorlage bereits Ende Januar beschließen lassen, verzichtete aber darauf, die Sitzung wurde bekanntlich abgesagt. „Das Ministerium für Inneres und Kommunalangelegenheiten entscheidet ohnehin nicht vor Ende Februar, wurde uns signalisiert“, sagte Scheller vor Mitgliedern des Hauptausschusses. Ende 2019 der erste Kredit: Im November 2019 hatte der Hauptausschuss bereits zugestimmt, dem Klinikum einen Kredit über bis zu acht Millionen Euro von den TWB zu gewähren. Die Schieflage entstand aus ungenügender Krankenhausfinanzierung und verspäteter Kostenerstattungen. Die letzte Million davon ist im Januar dieses Jahres in Anspruch genommen worden. Das Kontokorrentdarlehen ist vergleichbar mit dem privaten Dispositionskredit – es läuft über die normalen Konten und kann jederzeit zurückgezahlt werden. Um nicht in den Verdacht einer verdeckten Gewinnausschüttung zu geraten und weil die Europäische Union bei Beihilfen genau hinschaut, wurde ein Zinssatz von fünf Prozent vereinbart. Risiko eines akuten Engpasses: Am Klinikum ist zudem ein Liquiditätsrisiko von 1,53 Millionen Euro bis Ende März errechnet worden, schlimmstenfalls könnte es dann keine Zahlungen mehr leisten. Hinzu kommen andere Unsicherheit in Höhe von bis zu einer Million Euro. Rückzahlung ab 2024: Darlehen sind am freien Markt preiswerter als bei der Kommune zu haben. Klappt alles, bekommt das Klinikum die 10,5 Millionen Euro von der DKB zum Sollzinssatz von 0,99 Prozent. Tilgungsbeginn wäre der 30. Januar 2024, bis dahin wären nur Zinszahlungen zu leisten. Vollständig zurückgezahlt ist der Kredit laut Plan am 31. Dezember 2030. Über sieben Jahre hinweg müsste das Klinikum also knapp 130.000 Euro monatlich überweisen. Die Bank hat die Auszahlung allerdings an die 100-prozentige kommunale Ausfallbürgschaft als Bedingung geknüpft. Stadt sichert Ausfall ab: Die Kommune kann diese Bürgschaft erbringen, weil sie wirtschaftlich dazu in der Lage ist und einen Ausfall irgendwie auch verkraften würde. Andererseits würde ein Aufstocken des TWB-Darlehens deren Liquidität gefährden, nicht sicher ist zudem, welche Finanzhilfen beispielsweise die Verkehrsbetriebe noch brauchen. Schlüsselposition in Pandemie: Die Verwaltungsspitze würdigt in der Vorlage ausführlich auch die Schlüsselposition des Städtischen Klinikums während der Corona-Pandemie. Es habe im vergangenen Frühjahr den Aufbau und die Federführung einer umfassenden Kooperation vieler Krankenhäuser in Westbrandenburg übernommen. So konnten Covid-19-Patienten bestmöglich versorgt und gleichzeitig alle anderen Kranken weiter behandelt werden. Weil in der Havelstadt aber viele Betten für Corona-Kranke frei gehalten und Patienten aus Potsdam aufgenommen worden waren, kam es zu zusätzlichen Belastungen für das Städtische Klinikum. Diese wurden aber nicht angemessen bezahlt, weil Fördermittel undifferenziert ausgereicht worden seien. Damit sei das Schwerpunkt-Klinikum im Vergleich zu vielen kleineren Häusern der Grund- und Regelversorgung benachteiligt worden. Fehlbetrag in diesem Jahr: Für dieses Jahr plant Klinikums-Geschäftsführerin Gabriele Wolter einen Fehlbetrag von 300.000 Euro ein, Jahresüberschüsse soll es erst ab 2022 wieder geben. Im Stellenplan stehen 943,56 Vollzeitkräfte, das sind 1406 Beschäftigte. Im vergangenen September waren es 1233 Beschäftigte. Die Verbindlichkeiten des Krankenhauses werden zum Jahresende bei 52,4 Millionen Euro liegen. Von André Wirsing