Widmaiers Strategie für das Brandenburger Theater

Gegenwärtig beschäftigt sich eine Projektgruppe aus Vertretern der Stadtverwaltung, des Brandenburger Theaters (BT), des Kulturministeriums und der Münchner Kultur-Beratungsfirma Metrum damit, dem BT ein neues Profil zu geben und dieses Konzept und den Auftrag der GmbH in Schriftform zu fassen. Details dazu, wird der Metrum-Chef Peter Gartiser nach Abschluss der Verfahrens verraten. Der künstlerische Leiter des BT Frank-Martin Widmaier ist Teil der nicht öffentlich tagenden Projektgruppe. Das sei, wie er betont „ein offener Prozess“, der im „geschützten Raum stattfindet“ und in dem die Probleme des BT besprochen und deren Lösungen vorbereitet werden. Am Ende der Arbeit, die Widmaier für Juni erwartet, „brauchen wir einen Rat der Berater und eine Entscheidung der Politik.“ Die Probleme am BT sind bekannt: Das Betriebsklima ist sehr schlecht, der Streit zwischen Theaterverwaltung und Orchester wird nicht nur über die Position des Chefdirigenten quasi öffentlich verhandelt, Budgetfragen sind ebenso ungeklärt wie Zuständigkeiten und „mit der runtergerockten Stadthallenbespielung“ der Vergangenheit hätten BT und Publikum ein Problem, sagt Widmaier. Doch wo führt der Weg hin? Für Widmaier ist das klar. Er hat zum Jahresende 2020 ein Strategiepapier vorgelegt, das die kommenden „vier bis fünf Jahre“ vorzeichnet und „das meinen Auftrag hier zusammenfasst, dokumentiert und die Realität beschreibt. Also das, was wir schon geschafft haben“, sagt Widmaier Mittwoch der MAZ. „Der Auftrag, das Theater künstlerisch neu zu profilieren, ist von Seiten der Zuwendungsgeber, der Gesellschafterin und der Stadtpolitik klar formuliert worden“, heißt es im Papier, das im Aufsichtsrat diskutiert wurde, wie Widmaier sagt. Sein Resümee: „Die Abkehr vom Stadthallenbetrieb hin zu einem Angebot von Eigenproduktionen in Schauspiel und Musiktheater.“ Deswegen habe man ihn geholt. Eigenproduktionen als Heimspiel: Professionelle Theateraufführungen würden als Eigenproduktionen, quasi als Heimspiele, gezeigt. Als festes freies Schauspielensemble habe er dafür das Potsdamer Ensemble „Poetenpack“ längerfristig gebunden. 2019 standen laut Wirtschaftsplan für diese Künstler, das Gastschauspiel in Gänze sowie Kostüm- und Bühnenbildner bereits gut 600 000 Euro zur Verfügung. Die Erweiterung des Angebots werde auch aufs Orchester ausstrahlen. „Der in Symphoniekonzerten bewährte Klangkörper könne seine Qualitäten auch wieder als hauseigenes Orchester für Musiktheater und in Crossover-Projekten einbringen“, schreibt Widmaier. Ein Anfang sei gemacht: Im Musiktheater und im Schauspiel entstanden „mit Anerkennung gewürdigte Produktionen.“ Auch die Pandemie habe ihn nicht stoppen können: Mit der im Frühjahr 2020 abgesagten und im Herbst nachgeholten Premiere des Schauspiels „Faust“ und der Opernproduktion „Bastien und Bastienne“ habe das BT „Leistungswillen und Leistungsfähigkeit bewiesen.“ Folge der Eigenproduktionen sei es, nun eigene dramaturgische Linien am BT zu entwickeln. Das meist zufällige Angebot fremder Gastspiele, die „dem nicht mehr gewollten Stadthallenkonzept entsprachen“, folge nun ein auf „unser Publikum ausgerichtetes Programm“. Dessen Ziel sei: Brandenburger für das BT „als Leuchtturm zu begeistern“; Menschen zurückzugewinnen, „die sich wegen fehlender qualitätvoller Angebote“ an anderen Theatern orientieren und „wieder mehr jüngere Besucher zu begeistern.“ Kooperationen statt eigenes Ensemble: Neben dem Poetenpack für das Schauspiel plant Widmaier ähnliche Kooperationen für das Musiktheater, das ja auch kein Ensemble hat. So sollen die Solisten der jüngsten Musical-Produktion immer wieder auf der Bühne stehen. Daneben gäbe es Pläne, Absolventen der Berliner UdK-Gesangsklassen in Opern-Inszenierungen einzusetzen. Fortgesetzt würden auch die bisherigen Aktivitäten des Jugendtheaters und der Bürgerbühne. „Ebenso soll das Puppentheater weiterhin als besonderer Beitrag des Theaters zum Kulturangebot gefördert werden“, heißt es. Mehr findet sich zum Thema Figurentheater nicht im Papier, obschon dieser personell dürftig besetzte Bereich zusammen mit eingekauften Gastspielen aus dem Bereich bisher etwa ein Viertel aller BT-Veranstaltungen abdeckte und vor allem Kinder ins Haus lockt. Personelle Veränderungen nötig: Eine neue Strategie braucht neue Leute – oder zumindest eine „personelle Anpassungen an die neue Gewichtung der künstlerischen Aufstellung“. Ihm, der als künstlerischer Leiter und Regisseur „sowohl nach außen wie intern das Gesicht des Hauses prägen soll“ müsse „unverzichtbar ein Hausdramaturg“ zugeordnet werden. Ebenso dringend sei eine qualifizierte Öffentlichkeitsarbeit. Widmaier: „Langfristig ist unverzichtbar, die personellen Kapazitäten im technischen Bereich den neuen Aufgaben anzupassen. Dabei muss sich hier wie bei allen das Bewusstsein durchsetzen, dass das BT wieder ein künstlerischer Betrieb ist.“ Seine Strategieüberlegungen wären hinfällig, wenn sie nicht durch „wachsende Mittel gesichert werden. Mit halbherzigen Schritten ist der Plan, wieder ein eigenes Theater wirken zu lassen, nicht realisierbar“, schreibt Widmaier. Könne er seine Strategie durchsetzen, werde das BT „wieder zu einem Kunstbetrieb, zu einer Kraftquelle für die Stadt.“ Vor der Richtungsentscheidung: Klar ist: Gegenwärtig sind von den 100 BT-Mitarbeitern zwei Drittel im oder für das Orchester tätig. Personell untersetzt sind die von Widmaier gewollten Sparten Schauspiel und Musiktheater bisher nicht, Leistungen werden von Externen erbracht. Kann sich der künstlerische Leiter mit seiner Strategie durchsetzen wird man die Struktur und Führung im Haus verändern um die Mitarbeiter wieder zu befrieden. Damit stünde dem BT in der Tat eine Zäsur bevor. Aber genau für die Beantwortung der Frage nach der künftigen Ausrichtung dürfte Oberbürgermeister Steffen Scheller die Profis von der Managementberatung Metrum ja auch geholt haben. Von Benno Rougk