Flughafenseelsorge am BER: Was Pfarrerin Sabine Röhm bei ihrer Arbeit erlebt

Der Anruf kam, als die Grenzen zumachten. „Es meldete sich jemand bei mir, der nicht wusste, wie es weitergeht“, sagt Sabine Röhm. Das war noch zu Beginn der Coronakrise – und auch für sie war die Situation neu. Die Flughafenseelsorgerin hörte zu, versuchte zu helfen. Mittlerweile hat sie viele solcher Geschichten gehört. Nicht nur Passagiere, auch Mitarbeiter kommen auf sie zu, um über ihre Sorgen in der Pandemie zu reden. „Corona hat die Luftfahrtbranche sehr getroffen“, sagt die 53-Jährige im Telefonat mit der MAZ. Die evangelische Pfarrerin ist seit 2019 als Seelsorgerin am Flughafen tätig – anfangs in Tegel und Schönefeld, mittlerweile im BER. Gerade der Wegfall von Tegel habe viele Menschen bewegt, sagt sie. Neben der Coronakrise sei das sogar das „große Thema“ gewesen, weswegen Leute Kontakt zu ihr aufnahmen, sagt sie. Flughafen BER als Tor zu Welt: Denn was viele nicht wissen: Als Seelsorgerin ist sie für alle Menschen am Flughafen da – Passagiere wie Mitarbeiter. „Das ist schon ein großer Unterschied“ sagt sie. Denn während sie die einen in der Regel nie wiedersieht, ist sie mit den anderen mittlerweile vertraut. „Das hat dann etwas viel Nachhaltigeres“, sagt sie. Längst geht es da nicht mehr nur um Sorgen und Nöte. Sondern auch um ein freundliches Zuwinken, ein Nachfragen nach der Familie, ein Austauschen über die aktuelle Situation. Lesen Sie auch: Passagiereinbruch am BER durch Coronakrise Der Flughafen sei ein ganz besonderer Ort für die Seelsorge, sagt Röhm. „Es ist ein Tor zu Welt.“ Ob Englisch, Russisch oder Spanisch: Sie und ihr Team beraten in mehreren Sprachen, müssen auf Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und mit verschiedenen Sorgen eingehen. „Es ist wichtig, die Leute dort abzuholen, wo sie sind“, sagt Röhm. Der BER sei wie eine kleine eigene Stadt für sie – „eine Stadt in einem sehr begrenzten Raum“, sagt sie und lacht. Seelsorger haben weiterhin gut zu tun: Die Pfarrerin, die vorher eine Gemeinde in Moabit hatte und nebenbei auch noch für die Seelsorge der Berliner Feuerwehr zuständig ist, betreibt die Stelle gemeinsam mit dem katholischen Priester Wolfgang Felber. Unterstützt werden die beiden von etwa 30 ehrenamtlichen Helfern. „Es ist eine tolle Zusammenarbeit“, sagt sie. Bei ihrer Arbeit gehe es darum für alle Menschen ein offenes Ohr zu haben, sagt sie – unabhängig von Herkunft, Religion oder Konfession. „Wir wollen weder missionieren noch belehren“, sagt sie. Röhm: Seelsorge ist wichtige Aufgabe: Und das Team hat nach wie vor gut zu tun: Obwohl der Flugverkehr in der Coronakrise zurückgegangen ist, suchen immer noch viele Menschen nach einer Beratung – teilweise auch telefonisch. „Wir haben nicht weniger Arbeit“, sagt Sabine Röhm. Ob Kurzarbeit, Homeoffice oder Angst vor Arbeitslosigkeit: In der Coronakrise suchen viele Menschen die Beratung. „Die Seelsorge ist eine sehr wichtige Aufgabe“, sagt Sabine Röhm. „Speziell in diesen unruhigen Zeiten“. Sie und die anderen Seelsorger versuchen, so oft es geht wenigstens einen Ansprechpartner vor Ort zu haben. Lesen Sie auch: Telefonseelsorge Potsdam: So einsam fühlen sich Menschen durch Corona Dabei seien es manchmal ganz „banale Themen“, die die Menschen bewegen, sagt Röhm: Wie finde ich den Weg, wo ist die nächste Bank, wo finde ich etwas zu essen? Dann gebe es jedoch auch die Fälle, in denen helfende Worte wichtig sind: Bei Passagieren, die bestohlen wurden oder am Flughafen gestrandet sind. Und dann ist da noch der Trennungs- und Verlustschmerz: Hat ein geliebter Mensch gerade den Flughafen verlassen, müssen die Seelsorger tröstende Worte finden. Und sollte es einmal zu einem Todesfall kommen, ist Sabine Röhm auch vorbereitet. Sie darf sowohl das Rollfeld als auch das Flugzeug betreten, um die Trauernden abzuholen und zu begleiten. Kein typischer Arbeitstag am BER: Einen typischen Arbeitstag – den gebe es am Flughafen gar nicht, sagt Röhm. „Jeder Tag ist anders“, sagt sie. Die Pfarrerin startet ihre Arbeit und lässt die Dinge auf sich zukommen. Bei ihrem Einsatz gehe es auch darum, ein wachsames Auge zu haben, sagt sie. Wem geht es womöglich nicht gut, wer braucht Hilfe? Zu erkennen sind Sabine Röhm und die anderen Seelsorger an den lila Westen, die sie während des Einsatzes tragen. Somit kann jeder die Seelsorger ansprechen. „Dabei gibt es auch sehr beglückende Gespräche“, sagt die Pfarrerin. Etwa, wenn ein Mitarbeiter von seinem Enkelkind erzählt oder dass einem für die Arbeit gedankt wird. „Das ist dann, als käme man nach Hause.“ Aber, und auch das erzählt sie im MAZ-Telefonat, es gibt auch die Geschichten, die sie an ihre Grenzen bringen. Die Seelsorge sei eine sehr „intensive“ Arbeit, sagt sie ruhig. „Man steckt nicht einfach alles weg.“ Der Anruf zu Beginn der Coronakrise etwa, der habe sie „nicht unberührt“ gelassen. Den Seelsorgern steht auch ein besonderer Raum zu Verfügung: Die Kapelle, der Raum der Stille. Hier kann man Ruhe finden, sagt Röhm. Und einfach mal innehalten. Ein starker Kontrast zum Trubel am Flughafen. Zur kleinen Stadt im BER, in der Sabine Röhm mittlerweile so viele Geschichten kennt. Von Johanna Apel