Beherzt greift Georg zum großen Schalthebel mit dem Kupferkopf. Er muss sich etwas strecken. Dann zieht er ihn kräftig nach unten. Erst zischt es laut, dann grummelt es bedrohlich, bis ein ohrenbetäubendes, aber wohlklingendes, gleichmäßiges Rattern den Saal erfüllt. Georg blickt stolz um sich. Der Zehnjährige hat gerade einen 1000 PS starken Dieselmotor angeschmissen. Zum ersten Mal ganz alleine.
Das 56 Tonnen schwere Eisen-Monster ist die Attraktion des Sendermuseums auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen. Zu den Vorführungen am letzten Sonntag im Monat kommen Schaulustige in Scharen. Der Deutz-Diesel mit acht Zylindern und 664 Litern Hubraum wurde 1935 erbaut. Er ist der weltweit einzige seiner Art, der noch funktioniert. Einst diente er als Notstromaggregat für den Königs Wusterhausener Sender.
Georg weiß das alles. Er hat sich belesen und viel von seinen beiden Maschinisten-Kollegen Detlef Hansen und Uwe Brehmer erfahren. Die Männer vom Museumsverein haben den Jungen unter ihre Fittiche genommen. „Er hat uns total fasziniert“, schwärmen sie.
Vor einem Jahr tauchte Georg mit seiner Familie im Museum auf, das die Rundfunkgeschichte dokumentiert. Die kennt er inzwischen auch ziemlich gut. Doch der Diesel hat es ihm besonders angetan. Bei fast jeder Vorführung ist er dabei.
Overall und Ohrenschützer
Seine Begeisterung kennt keine Grenzen. Seine Mama Yvonne Böke kaufte ihm sogar einen roten Overall, weil die ehrenamtlichen Maschinisten des Vereins rote Overalls tragen. Passende rote Ohrenschützer gab’s gleich noch dazu. Die Wildauerin ist selbst zum Fan des Museums geworden. „Jedes Mal, wenn wir hier sind, entdecken wir mehr“, sagt sie.
Er ölt Zylinder, schraubt, schmiert und putzt. Uwe Brehmer stellte Georg den Besuchern schon als „Lehrling im ersten Lehrjahr“ vor. „Dazu gehören, das ist schön“, sagt Georg, der außerdem bei den Wildauer Modellbauern aktiv ist, gerne Akkordeon spielt und zu Hause gerade eine Dampfmaschine zusammenbaut.
Hochkonzentriert schaut er während der Vorführung auf zwei Anzeigen. „Ich muss aufpassen, dass Druck und Drehzahl nicht sinken.“ Währenddessen umkreisen die Gäste den Koloss, machen Fotos und Videos, lauschen ergriffen dem tuckernden Klang. Da gibt Uwe Brehmer ein Zeichen. Es ist Zeit, den Maschine herunterzufahren.
Georg stemmt den Hebel nach oben. Uwe Brehmer winkt die Besucher heran, sie sollen sich auf die Bodenplatte stellen, die den Riesenmotor umgibt. Je langsamer der Motor wird, um so mehr schaukelt sie, bis sie schließlich zum Stehen kommt. Georg sichert das „Gaspedal“ mit einem Vorhängeschloss und wirkt ein bisschen erleichtert. „So ein Diesel-Lauf ist immer wieder aufregend, man weiß ja nie, was passiert“, sagt er wie ein alter Hase.
Georg möchte einmal Lokomotivführer werden und unbedingt eine Dampflok fahren. Nicht irgendeine und irgendwo, sondern auf der Zittauer Schmalspurbahn. „Das ist eine letzten in Deutschland, die finde ich toll“, sagt der Viertklässler. Mit großen alten Maschinen kennt er sich ja schon bestens aus.
Von Frank Pawlowski