Testgelände Horstwalde: 150 Jahre Bundesanstalt für Material-Forschung und -Prüfung

Eine der spektakulärsten Bundeseinrichtungen liegt versteckt im Baruther Forst: das Testgelände Horstwalde. Auf dem zwölf Quadratkilometer großen Areal geht es um Explosionen und Fallversuche oder Brände, um herauszufinden, wie Gefahrgut-Behälter, Gebäude und Brücken sicherer, Schienenwege oder Straßen belastbarer oder Brüche und Risse in Stahl oder Beton vermieden werden können. Das Testgelände Technische Sicherheit (TTS) ist ein Aushängeschild der BAM, der Bundesanstalt für Material-Forschung und -Prüfung. Die untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium und feiert am 4. März 150. Geburtstag. Sie ist Nachfolgerin des 1871 gegründeten Staatlichen Materialprüfungsamts sowie der 1920 gegründeten Chemisch-Technischen Reichsanstalt. Seit der deutschen Einheit hat die BAM mit dem Testgelände in Horstwalde die besten Versuchsbedingungen ihrer Geschichte für Groß- und Freiversuche. Mit der Übernahme des ehemaligen NVA-Geländes, auf dem auch die DDR Fahrzeuge, Militärtechnik oder Beton-Umschließungen für Kernkraftwerke testete, konnte die Bundesrepublik ihr altes und zu klein gewordenes Versuchsgelände bei Hannover aufgeben. Jetzt geht es auch um Wasserstoff-Technologien: Zum BAM-Testgelände Horstwalde gehören heute sechs Bereiche: zwei Sprengplätze, Brandprüfstände, ein Versuchsfeld für zerstörungsfreie Prüfungen im Bauwesen, die Fallversuchsanlage mit einem 35 Meter hohen Fallturm sowie ein Prüffeld für Brand- und Explosionsschutz-Untersuchungen. Leiter vor Ort ist der promovierte Chemiker Kai Holtappels. Er weiß, dass es auf dem historisch gewachsenen Gelände heute mit inzwischen zweistelligen Millionen-Investitionen nahezu ideale Versuchs- und Forschungsbedingungen gibt. Er sagt: „Wir nutzen das Gelände bereits auch intensiv zur Untersuchung von Wasserstoff-Technologien.“ D abei gehe es nicht nur um Autos ; „das betrifft sicherheitstechnische Fragen der gesamten Wertschöpfungskette von der Wasserstoff-Erzeugung über die Speicherung und den Transport bis zur Nutzung“, erklärt er. Und wie können Druckgas-Speicher oder -Pipelines sicher gebaut werden? „Wir untersuchen auch die mögliche Freisetzung von Wasserstoff und deren Konsequenz“, so der TTS-Chef. „Und nach wie vor sind Transporte von Gefahrstoffen und -gütern über Straßen und Schienen ein wichtiges Thema“, erklärt er. Der Brandversuch vom April 1999, bei dem ein Eisenbahn-Kesselwagen, gefüllt mit fünf Tonnen Propangas, und ein Castor-Behälter den Flammen eines Heizöl-Feuers ausgesetzt waren, gehört noch immer zu den spektakulärsten Versuchen: Der Kesselwagen explodierte, große Stahlblechteile flogen bis zu 200 Meter weit, der Castor blieb heil. Aus den über Jahre ausgewerteten Daten folgten Vorschläge und Richtlinien für Sicherheitseinrichtungen der Bahn. Eine international beachtete BAM-Aktion jüngst waren Schraubenschlüssel – hergestellt in einem Raumtransporter in 3-D-Druck ohne Schwerkraft. Ebenfalls um 3-D-Druck ging es auf der Hannover Messe 2019: Die BAM präsentierte dort ihre Forschung zu additiver Fertigung für komplexe Bauteile aus Beton. Damit könnten maßgeschneiderte Bauteile für Abwassersysteme schnell und preiswert produziert werden. Um andere spannende Themen geht es in Horstwalde, so Kai Holtappels, dort würden zurzeit beispielsweise Lithium-Ionen-Akkus untersucht. Dabei lassen BAM-Mitarbeiter diese Ionen-Batterien fallen, setzen sie Feuer aus oder beschädigen sie bewusst bis zu einer Reaktion. „Aus solchen Beobachtungen entwickeln und empfehlen wir Schutzmaßnahmen, die für den Gesetzgeber Grundlage seiner Vorschriften sind“, so Holtappels. Woran die BAM in 150 Jahren mal arbeite, wisse heute niemand, so Holtappels und lacht. Demnächst gehe es beim Testen und Forschen in Horstwalde vor allem um die gesamte Palette an Sicherheitsfragen rund um den Wasserstoff und um elektrische Energie-Speicher, um Bauwerkssicherheit und die sichere Umschließung radioaktiver Abfälle, „landläufig unter dem Begriff Castor-Behälter bekannt, auch wenn es eine Handvoll Hersteller solcher Behältnisse gibt“, sagt Holtappels. Zu den Gratulanten der BAM gehört Peter Ilk (parteilos), der Bürgermeister von Baruth. Er freut sich nicht nur, solch eine wichtige Forschungseinrichtung des Bundes in der Region zu haben, sondern meint angesichts des Jubiläums auch: „Mit diesem Gelände kann die Stadt Baruth/Mark im kommunalen Vergleich nicht nur als Wirtschafts -, Kultur- und Tourismus-Standort punkten, sondern auch als Wissenschafts- und Forschungsstandort.“ Mit seiner Dimension sei es das wohl größte Freiversuchsgelände in Europa und setze Maßstäbe, erklärt Ilk. Übrigens, die BAM widmet ihrem Jubiläum auf der Homepage ein separates Kapitel zu finden unter: „150 Jahre Wissenschaft mit Wirkung“. Von Jutta Abromeit