Wildau: Früherer Imbiss und Kneipe Schwungrad unweit des Stichkanals

Das Foto ist nicht datiert. Aber es muss sehr alt sein. „Lebensmittel“ steht an dem Flachbau. Die gibt es hier schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Das Haus daneben hat noch die markante Spitze, die aussieht wie eine Pickelhaube. Sie ist verschwunden. Bernd Schust hat das Bild von den Eigentümern des Hauses in der heutigen Friedrich-Engels-Straße 74 bekommen. Es weckt Erinnerungen bei ihm. Der 73-Jährige arbeitete hier viele Jahre als Hausmeister. Er kennt die Geschichte der Umgebung sehr gut. Der Flachbau am Stichkanal ist nur noch eine Ruine. Durch eines der verschmutzten und vergitterten Fenster kann man einen Blick die Vergangenheit erhaschen. Ein gefliestes Becken ist zu sehen. Und oben eine schräge, beschriftete Tafel. Bis 1989 befand sich hier ein Fischladen, danach zog ein Imbiss ein. Kartoffelsalat gab es für 1,20 DM, die Bratwurst kostete 1,20, ebenso wie der Pott Kaffee. Das ist auf der Tafel noch zu lesen. Wann der Imbiss schloss, weiß Bernd Schust nicht mehr genau. Es ist schon viele Jahre her. Das Wohnhaus nebenan war einst sein Arbeitsplatz. Hier war er Hausmeister. Im Erdgeschoss befindet sich ein Reparatur-Service für Kaffeemaschinen. Bernd Schust schaut durch die offene Eingangstür in den Raum. „Da stand der Tresen“, sagt er. Bis zur Wende und noch kurze Zeit danach befand sich hier die beliebte Kneipe „Schwungrad“. Es gab eine Terrasse mit Außenplätzen, aber die steht heute leer. Mit dem Kastanien-Eck gab es in den 1990er Jahren noch ein kurzes gastronomisches Zwischenspiel. Dann endete die Kneipen-Ära. Bernd Schust weiß auch über die Nachbargebäude Interessantes zu berichten. In einem Haus schliefen einst die Treidler, die Schiffe auf der nahe gelegenen Dahme gezogen haben. In einem Anbau vor der vor dem Gebäude befindet sich heute ein Tanzstudio. Eine Fleischerei gab es ebenfalls. Auf dem Hof zeigt Bernd Schust auf einen Raum, in dem früher geschlachtet wurde. Daneben befand sich die Backstube einer Bäckerei, die in den 1950er Jahren hier eröffnete. Einen Bäcker gibt es hier immer noch. Ebenfalls auf, inmitten eines großen Rasen-Grundstücks mit Bäumen, steht ein leeres Gebäude. Es soll einmal ein Pferdestall gewesen sein. Unter einem Vordach wurden einst Milchkannen ausgespült. Zu DDR-Zeiten war hier eine Sero-Annahmestelle. Die letzten Umbauten stammen von einer Firma, die das Haus kurzzeitig nutzte. Es steht seit vielen Jahren her. Bernd Schust schaut etwas wehmütig drein, als er von dem lebhaften geschäftlichen Treiben berichtet, dass hier und anderswo in Schwartzkopff-Siedlung einmal herrschte. „Wir hatten alles“, sagt er. Drogerie, 100-kleine-Dinge-Laden, Geldautomat, Schreibwaren-Laden –das alles und einiges mehr ist mit der Zeit verschwunden. Der gebürtige Senziger, der seit 35 Jahren in Wildau lebt, findet das sehr schade. Der Aldimarkt in der Nähe ist als eine der wenigen Einkaufsmöglichkeiten. Zwischen dem Markt und dem früheren Imbiss im Flachbau liegt eine große Fläche brach. Von der Straße ist sie mit Mauer und Zaun abgegrenzt, auf einer Seite stehen Garagen. Früher war das ein Gelände der Gemeindewirtschaft, erzählt Bernd Schust. Entsorgungsfahrzeuge für Müll und Abwasser waren hier stationiert. Für das Grundstück gab es zuletzt ehrgeizige Ideen. So könnte hier ein Hotel entstehen. Der Standort war auch im Gespräch für ein Wohnungsbau-Projekt von Aldi. Das gesamte Areal mit dem jetzigen Markt und der Bibliothek soll neu gestaltet werden. Aber konkrete Pläne wurden bisher öffentlich nicht vorgestellt. So bleibt Bernd Schust vorerst weiter „nur“ die Erinnerung an die Zeiten an den Imbiss mit dem preiswerten Essen und dem „Schwungrad“ nebenan, in dem er gerne ein Bier zum Feierabend trank. Von Frank Pawlowski