Zeuthen: Komponist Paul-Heinz Dittrich verstorben

Vor vier Wochen erst feierte der Komponist Paul-Heinz Dittrich noch seinen 90. Geburtstag. Nun ist er in Zeuthen verstorben. Dort lebte er lange mit seiner Familie. Dass seine Musik immer noch begeistern kann, beweisen die leider selten gewordenen Aufführungen seiner Werke. Beeindruckt und durchaus auch beeinflusst hat er so einige Komponisten der heutigen Generation, sagen diese immer wieder. Erst im Oktober wurde in Dresden ein Werk uraufgeführt, das er 2015 komponierte: Die „Kammermusik XVII“ wurde vom bekannten Scharoun-Ensemble dargeboten. Es war nicht sein letztes Werk. Bis Paul-Heinz Dittrich 2018 schwer erkrankte, blieb er unermüdlich und schrieb. In der DDR wurde die Avantgarde klein geredet: Radikal, wild, spröde, hart, extrem, zugleich aber auch poetisch und hochexpressiv – das alles sind Charakterisierungen von Dittrichs Musik. „Ich bin Komponist und alles, was ich sagen will, kann ich mit Musik aussagen“, bemerkte er 1990. Auch für ihn wurde die Wende zu einer gewissen Zäsur, obzwar die Avantgarde, der er angehörte, ohnehin in der DDR zumeist nicht wohl gelitten war. Einen sehr bösen Verriss erntete ein 1971 im Apollosaal der Staatsoper aufgeführtes Stück, bei dem er sich, sagte er selbst, an keine der von der Obrigkeit diktierten Vorgaben gehalten habe: „Es gehört nicht in unsere sozialistische Welt, das ist der Westwind, der herüberweht, also das muss unterbleiben!“, zeterte der Kritiker. Er habe damals gedacht, „ hier wirst du nicht mehr froh jetzt deines Lebens in der DDR“, so Dittrich. Kollege und Mentor Paul Dessau setzte sich dann für ihn und schickte seinerseits eine harsche Replik an jenen Musikredakteur des Neuen Deutschland. In Westdeutschland waren seine Werke sehr gefragt: Geboren wurde Paul-Heinz Dittrich am 4. Dezember 1930 im erzgebirgischen Gornsdorf. Nach einem Kompositionsstudium in Leipzig wurde er Meisterschüler bei Rudolf Wagner-Régeny. Eine für ihn enorm prägende Gestalt, die ihn nicht nur mit Schönberg vertraut machte. Er kam mit der zeitgenössischen Avantgarde in Berührung. „Das Denken in polyphonen Abläufen“, erzählte Dittrich 2009 in einem Interview im Deutschlandradio Kultur, habe ihn schon immer interessiert. Dittrich wurde selbst Lehrer an der Hochschule für Musik in Berlin, ab 1976 war er freischaffend tätig als Komponist, wurde 1978 Professor für Komposition, erhielt Gastprofessuren unter anderem in Los Angeles, in Freiburg im Breisgau, in Paris und Köln, er wurde vielfach international eingeladen. Bei den Wittener Tage für neue Kammermusik gehörte er in den 1970er und 1980er Jahren zu den meistgespielten Komponisten, stellt Jens Schubbe, Dramaturg der Dresdner Philharmonie, fest. Er kannte Dittrich noch aus der gemeinsamen Zeit am Konzerthaus und erinnerte sich nach Bekanntwerden von Paul-Heinz Dittrichs Tod im Deutschlandfunk Kultur an ihn. Lyrik beeinflusste sein Werk: 1991 trat Dittrich eine Professur für Komposition an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ an. Im selben Jahr gründete er das Brandenburgische Colloquium für Neue Musik. „Ein Großteil seiner Werke bezieht sich auf Dichtungen“, berichtet Jens Schubbe. Dies äußerte sich jedoch nicht im Sinne von Vertonungen, vielmehr suchte Dittrich den Dialog. Französische Dichter, aber vor allem auch Heiner Müller und Paul Celan beeindruckten und bewegten ihn. Noch immer sind manche der Werke Paul-Heinz Dittrichs nicht uraufgeführt. Vor gut zehn Jahren sagte er in einem Interview: „Das ist eigentlich das, woran ich immer in der letzen Vergangenheit arbeite: dass ich die Instrumente so behandle wie die Stimme oder umgekehrt.“ Ein Zusammenkommen von instrumentaler und vokaler Musik, danach strebe er in seinem aktuellen Schaffen, sagte er damals. Faszinierende Hörbeispiele einiger kompletter Werke bietet die Homepage des Zeutheners www.paulheinzdittrich.de Von Karen Grunow