Brieselang: Friedensangebot an den Bürgermeister

Das Verhältnis zwischen Bürgermeister und einem Großteil der Gemeindevertretung ist schon seit Amtsantritt von Ralf Heimann (FW) Ende 2019 stark angespannt. Das Fass zum Überlaufen hat jetzt für zahlreiche Abgeordnete gebracht, dass Heimann im Amtsblatt, das im Dezember erschienen ist, ausführlich seine Sicht der Dinge dargelegt und dabei auch scharf gegen Fraktionen ausgeteilt hat. Eine Mehrheit der Gemeindevertreter wirft ihm nun Missbrauch des Amtsblatts für persönliche Zwecke vor. Das haben sie auch in einem Beschluss in einer Sondersitzung am Dienstagabend per Videochat so festgehalten. „Wir sehen eine Unverhältnismäßigkeit, wenn der Amtsträger seine Meinung im Amtsblatt verkündet und wir als Fraktionen nicht die Möglichkeit haben, unsere Meinung zu äußern“, sagte etwa BFB-Fraktionschef Christian Achilles. Norbert Jütterschenke (SPD) äußerte sogar: „Ich war entsetzt.“ Erklärung verabschiedet: Um sich künftig mehr auf die Sacharbeit zu konzentrieren, statt weiter zu streiten, haben die Gemeindevertreter bei nur einer Gegenstimme eine Erklärung auf den Weg gebracht. Mit dieser wolle man dem Bürgermeister die Hand reichen, heißt es. „Wir erwarten aber, dass er dabei die demokratischen Spielregeln einhält und die Entscheidungs- und Kontrollrechte der Gemeindevertretung respektiert.“ So müsse er die Beschlüsse der Gemeindevertretung ausführen und bei Nachfragen der Gemeindevertreter Auskunft geben. Zuletzt war ihm immer wieder vorgeworfen worden, dass er dies nicht macht. „Die Erklärung ist eine gute Basis, um zu zeigen, wo der Schuh drückt und dass wir gewillt sind, gemeinsam für die Gemeinde zu arbeiten“, sagt CDU-Fraktionschef Fabian Bleck zu der Erklärung. „Wir haben uns zuletzt viel mit uns selbst beschäftigt. Jetzt ist es an der Zeit, den Ort zu gestalten. Ich hoffe, dass die Sachen geklärt sind und wir zielgerichtet in die Zukunft schauen.“ Resolution begrüßt: Dem konnte auch Harald Brockmann folgen, Fraktionschef der Freien Wähler. „Ich freue mich, dass es gelungen ist, eine gemeinsame Resolution zu erarbeiten, um eine Basis zu finden, Brieselang nach vorne zu bringen.“ Allerdings tat er sich schwer mit den nachfolgenden Beschlüssen. „Ich sehe einen Widerspruch in der Tagesordnung. Erst reichen wir dem Bürgermeister die Hand und nun wollen wir ihn rügen.“ Man sollte vielmehr die Ressourcen für Projekte einsetzen wie den Gesamtschulbau, die Suche nach Sportflächen und die Kitas. „Die Brieselanger wollen den Konflikt nicht.“ Offene Anfragen sollen beantwortet werden: Von Rügen indes könne keine Rede sein, wie Achilles entgegnete. „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Beschlüsse ausgeführt werden.“. Sollte es nicht möglich sein, erwarte man vom Bürgermeister eine Erklärung, warum es nicht möglich ist. In einem Extra-Beschluss wird der Bürgermeister aufgefordert, bisher noch offene Anfragen bis zum 30. April 2021 zu beantworten. Auch Heike Swillus (Linke) hält die Kritik durchaus für berechtigt, ebenso wie Kai Nagel (Grüne): „Wir halten es für wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass es eine rote Linie gibt.“ Achilles wies darauf hin, dass man wegen der Nichtbeantwortung von Fragen bereits erwogen hatte, „den Weg zum Verwaltungsgericht in Potsdam zu gehen“. Nun habe man jedoch einen milderen Weg gefunden. Sollte es aber nicht klappen, „sind wir schnell auf dem Weg der gerichtlichen Auseinandersetzung“. Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung wurde auch noch beschlossen, das Verhalten des Bürgermeisters rechtlich prüfen zu lassen. Und es soll auch geprüft werden, ob Disziplinarverfahren gegen den Bürgermeister eingeleitet werden. Zwei Beschwerden von Bürgern sowie eine von einer Gemeindevertretern standen ebenfalls auf der Tagesordnung Bürgermeister Heimann hatte nach der Bürgerfragestunde nicht mehr an der Sondersitzung teilgenommen. Er erklärte sich für befangen, tat zuvor aber noch einmal seine Sicht der Dinge kund. Dass Beschlüsse nicht umgesetzt und Anfragen nicht beantwortet wurden, begründete er mit fehlenden Stellen beziehungsweise fehlenden Mitarbeitern in der Verwaltung. Einige Stellen nicht besetzt: „Laut Stellenplan haben wir drei Ingenieure und zwei Bauleitplaner. Fast ganzjährig waren nur zwei dieser fünf Stellen besetzt. Im Zentralbereich war der Fachbereichsleiter dauerhaft nicht besetzt, der Stelleninhaber nur wenige Tage im Dienst“, sagte Heimann unter anderem. Zudem habe das Großprojekt Gesamtschule massive Kapazitäten in der Verwaltung in Anspruch genommen, später sei das Projekt Sportstätten Grün-Weiß Brieselang hinzu gekommen. Außerdem belaste Corona die Verwaltung schwer in Form einer Flut von Arbeitspapieren und Verordnungen. „Wir müssen massiv improvisieren und viele Sachverhalte neu denken.“ Außerdem gebe es eine extrem große Zahl an schriftlichen Anfragen aus der Gemeindevertretung. „2020 hatte ich als neuer Bürgermeister 51 Anfragen mit 229 Teilfragen“, so Heimann. Dies sei sechsmal so viel wie sein Vorgänger 2019 zu beantworten hatte. „Das ist mit einer derartigen Unterbesetzung nicht zu leisten.“ Angesichts der Belastungen hätte er es lieber gesehen, dass der Verwaltung die Hand gereicht werde, um Probleme zu lösen. „Ich entschuldige mich gern dafür, falls Sie der Meinung sind, dass ich das Amtsblatt missbraucht haben sollte“, so Heimann weiter. Doch es gebe keine Richtlinie, wie das Amtsblatt gestaltet werden soll. So habe es dort in der Vergangenheit auch ein Interview mit seinem Amtsvorgänger gegeben. Von Andreas Kaatz